Kolumne Press-Schlag: Am Thron von Goliath gerüttelt
Bayern München könnte am Samstag Deutscher Meister werden. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge ist ein Meister des Humors.
K arl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern AG, stammt aus Lippstadt. Das ist Westfalen ziemlich hinten – ein abgelegener Weltenteil, der gemeinhin als humorfreies Terrain gilt. Dieses Vorurteil widerlegt Rummenigge, 59, seit Jahren auf vielfältige Weise. In einem gewissen Sinn jedenfalls. Denn mit „In einem gewissem Sinn …“ beginnt der gelernte Bankkaufmann gern seine vielfältigen Humoresken.
Der Fußballanalyst Rummenigge ist ein van Gogh der kühnen Bilder: „Für junge Spieler ist es wichtig, dass sie auch mal Licht am Ende des Tunnels schnuppern.“ Uli Hoeneß ist ihm „der Vater Teresa vom Tegernsee, der Nelson Mandela von der Säbener Straße und die Mutter aller Manager“. Und er weiß Taktikdefizite des Publikums launig zu beschreiben: „Viele können nicht unterscheiden zwischen Viererkette und Fahrradkette.“
Großzügig gewährt Rummenigge einem Spieler großes Lob: „Er ist mit allen Salben gesalbt“ – auch wenn das eine Tat von Ex-Meisterarzt Dr. Müller-Wohlfahrt war, dem Kollateralschaden dieser Saison. Wenn jemand etwas Unerwünschtes sagt, kontert Rummenigge naseweis: „In der Schule hätte ich gesagt: In die Ecke und schämen.“ Den Satz „Fußball ist keine Mathematik“ wusste die Rummenigge-Forschung als hintersinnige Kritik an Extrainer Hitzfeld zu verstehen, bekanntlich ein studierter Mathematiklehrer.
Als Franck Ribéry sein 100. Tor für den FC Bayern erzielte, sagte Rummenigge: „Ich ziehe meinen Hut und sage Champs-Élysées.“ Für die Leser von 11Freunde war das umgehend Inspiration zu einem Französisch-Seminar: „Tel Aviv – so ist das Leben“, schrieb einer. Oder: „Cordon Bleu – nichts geht mehr.“ Auch schön: „Interieur ist man immer schlauer.“ Und als sicher kann gelten: „Französisch ist nun mal keine Mathematik.“
A, B, C – das ganze Alphabet
Rummenigge ist Frühstücksdirektor: „Die Bundesliga muss unser ’Brot und Butter‘-Geschäft bleiben, die Champions League ist die Marmelade dazu.“ Er ist Saubermann: „Man kann nicht von uns verlangen, dass wir die Champions League so im Nebenwaschgang gewinnen.“ Er ist auch Germanist: „Pep Guardiola hat einen Plan A, B, C – das ganze Alphabet.“
Und bikontinentaler Ethnologe ist er obendrein: „Es gibt keine kulturelle Einrichtung in München, die weltweit so populär ist wie der FC Bayern – höchstens das Oktoberfest. Wenn Franz Beckenbauer oder Gerd Müller nach China reisen, müssen dort die Straßen gesperrt werden.“
Als Chemiker liebte Rummenigge immer den „verzinkten Schuss“. Und er ist bewandert in Mythologie: „Wir sind der Goliath, der alles abräumt. Die Dortmunder rütteln am Thron von Goliath.“ Nur, welcher Goliath-Thron? Und, pardon, wie ging die Sache noch mal aus?
Selbstkritisch glaubt Rummenigge: „Ich war nie ein lockerer Vogel.“ Wir ziehen das Chateau vor so viel offenem Bekenntnis. Trotzdem ist sein spezifischer Humor klubintern ansteckend. Neulich, nach dem düsteren 1:3 beim FC Porto, sagte Matthias Sammer rummeniggesk beleidigt über die gegnerischen Spieler, die angeblich reihenweise scheingefoult niedersanken: „Ich weiß nicht, welcher Religionsrichtung die so sind.“
Hoho, höhö und Schenkelschlag. Ja, Karl-Heinz Rummenigge, bald Brot-und-Butter-Meister sowie frischgebackener Marmeladenhalbfinalist, ist offenbar virulent, in einem gewissen Sinn.
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