Kolumne Pres-Schlag: Erst mal ausgesteppt
Werder Bremen droht der Absturz ins gehobene Mittelmaß der Liga. Können Trainer und Sportdirektor wirklich nichts dafür?
Werder Bremen droht der Absturz ins gehobene Mittelmaß der Liga. Können Trainer und Sportdirektor wirklich nichts dafür?
Keiner taugt als Symbolfigur der Befindlichkeiten bei Werder Bremen so gut wie der Vorstandsvorsitzende Jürgen L. Born. Der frühere Südamerika-Beauftragte der Deutschen Bank ist bis heute mehr Fan als Funktionär, was für so manch putzige Anekdote sorgte. Etwa diese: Die Grün-Weißen hatten an einem dieser legendären Europapokalabende wieder eines dieser Wunder von der Weser vollbracht, nämlich Real Madrid mit einer Verlegenheitself 3:2 besiegt. Was Born dazu bewog, sich in der Loge der Ostkurve nächtens berauscht auf einen Tisch zu schwingen und zur Freude der besser betuchten Gäste ein kleines Tänzchen zu vollführen. "Werder außer Rand und Band" hieß es damals. Es war der 28. Dezember 2007.
Kein Jahr später steppt niemand mehr in der Ostkurve. Born, 68, hat vorgestern ein Interview gegeben und bis auf die Botschaft, er sei von Natur her Optimist, wenig Substanzielles gesagt. Nur dies: "Thomas und Klaus haben keine Fehler gemacht." Ein Satz, der rund um das Weserstadion, Epizentrum des 0:3-Erdbebens gegen Panathinaikos Athen, Widerspruch herausfordert. Denn der Triumph in der Königsklasse gegen Real sowie der Gewinn der Vizemeisterschaft wirken wie Erfolge aus einer längst vergangenen Zeit - obwohl der Klub fast dieselben Kicker beschäftigt.
Und dann sind Schaaf, Thomas, der Trainer, und Allofs, Klaus, der Sportchef nicht in der Verantwortung? Wer dann? Zeugwart Uwe Behrens? Busfahrer Horst Kück? Der neue Fitnesstrainer Yann-Benjamin Kugel? Die Risse im Gebilde sind unübersehbar. Der brave Kapitän Frank Baumann hätte nicht schon Mitte September auf ein akutes Einstellungsproblem verwiesen, Per Mertesacker jetzt nicht verraten, es gebe keinerlei Argumente, die für eine Stärke innerhalb der Mannschaft sprächen. Dazu kommen sichtbare Schwächen der Einzelnen: die alternden Kämpen wie Torsten Frings und Baumann, ein stagnierendes Talent wie Aaron Hunt, ein überforderter Neuzugang wie Sebastian Prödl, Künstler auf dem Egotrip wie Diego und Claudio Pizarro.
Gerade die beiden Letzteren taugen gut für den Schönwettergeist, den dieser Kader umgibt: Macht der Gegner brav Platz, läuft das Bällchen rund. Aber wehe, Widerstand stellt sich ein. Dann hängen die Köpfe und die Tore gegen die Bremer fallen wie die Blätter im Herbst. Dabei ist dieser Klub dazu verdammt, am Saisonende unter den ersten drei zu stehen. Weil Bremen nicht die wirtschaftliche Potenz wie Hamburg, Gelsenkirchen oder Dortmund besitzt, weil kluge oder millionenschwere Konzepte wie die in Hoffenheim oder Wolfsburg gerade auf die Überholspur gehen, droht die Gefahr, dass die Hanseaten wieder da landen, wo sie vor dem Doublejahr 2004 herkamen: im gehobenen Mittelmaß.
All diesen apokalyptischen Prophezeiungen zum Trotz: Kein Standort ist so krisenresistent wie Bremen, kein Gebilde so krisenfest wie die Werder Bremen GmbH & Co KGaA. Und Geschäftsführer wie Manfred Müller oder Klaus-Dieter Fischer erinnern gerne an eine Begebenheit vor mehr als 20 Jahren. Da lockte ein Fotograf Otto Rehhagel und seine Mannschaft fürs gemeinsame Motiv auf das Schulschiff Deutschland, um damit eine Titelstory unter dem Leitsatz "Antreten zum Abtakeln" aufzumachen. Rehhagel fuhr aus der Haut, versammelte die Seinen fortan wie in einer Trutzburg um sich. Die Folge? Ein kollektiver Kraftakt zur deutschen Meisterschaft 1988.
Doch auf die Wiederholung will an der Weser niemand wetten. Nicht einmal Born. Seine Maßgabe ist vorläufig sehr kurzfristig ausgerichtet: "Wir wollen heute beim VfL Bochum gewinnen." Es könnte der Leitsatz für eine neue Bremer Bescheidenheit sein. FRANK HELLMANN
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