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Kolumne ParallelgesellschaftDass wir momentan nicht trendy sind

Ein neoliberaler Bankenmensch spricht sich aus: Hat denn keiner Verständnis für ihn? Und seine Partei, die FDP?

Bild: taz

Jan Feddersen ist Autor und Redakteur in den Ressorts taz.mag und tazzwei.

Hin und wieder werden wir vielleicht nicht politisch, aber wenigstens weltanschaulich. Sitzen beim Kaffee oder beim Wein, dieser Freund aus alten Studientagen und ich. Er wählte - "natürlich nicht" - Soziologie als Schwerpunkt, sondern - "selbstverständlich" - die Betriebswirtschaftslehre. Kaum hatte er Vokabeln wie Portfolio, Shareholder Value und Marktwirtschaft in seine Sprache eingeatmet, trat er auch schon der FDP bei.

"Du und deine Linken", sagte er immer mit leicht spöttischem Ton, links sein sei doch keine Kunst, im Zweifelsfall würde er doch auch Caffe latte trinken, aber doch nicht gleich eine Ideologie vom GutenWahrenSchönen daraus machen. Nein, Welterlösung versprach er sich erstens nicht von Attac - "ein völlig okayer Kaninchenzüchterverein, aber nix für mich" -, zweitens nur vom Markt, von Deregulierung und den Liberalen. Klar, Westerwelle war zu laut, immer zu schrill, nie das, was den teppichflorschluckenden Klangarten der oberen Hunderttausend so geziemt.

Jetzt ist mein Freund aber am Boden zerstört. Den Verlust von 150.000 Euro nimmt er hin, wie so viele aus allen möglichen Sphären und Schichten unserer Wirklichkeit hat er nicht nur auf eine Karte - in seinem Fall: isländische Anleihen - gesetzt, sondern sein im Börsengeschäft Erzocktes weiter gestreut. Was ihn bekümmert, ist eher, dass er nicht mehr FDP sagen darf, ohne gleich Zorn, Wut und Verachtung zu ernten. Nannte man früher den Namen dieser Partei, fielen einem immer auch Bürgerrechte ein. Jetzt ist das in etwa so cool wie "inkontinent" oder "mundstuhlig". Aber mein Kumpel nippt an seiner Zinfandelschorle und seufzt: Das war nicht alles falsch, was wir vorgeschlagen haben. Dass unternehmerische Freiheit die Freiheit aller ist; dass sich Dinge rechnen müssen und der Bürger als Steuerzahler doch nicht für Unrentables aufkommen müssen sollte.

Mann oh Mann, man möchte ihn streicheln und trösten, sagen, dass er vielleicht sogar Recht hat, aber das Phantasma namens Steuerzahler klingt aus Mündern wie seinem immer noch wie Deregulierung, Abgreife und Subventionsbetrug. Aber ist es nicht auch ein linker Betrug, ihn jetzt nicht realistisch mit dem zu konfrontieren, was die Sache ist? Weltanschaulich gesehen? Männer wie er, Marktwirtschaftler bis ins Mark, machen schwere Zeiten durch. Survival of the fittest? Na, wie soll das denn gehen, wenn selbst Börsianer wie er nicht mal überleben können? Wenn sie bei der ersten krossen Gegenluft zu weinen anfangen? Plötzlich nach Staat rufen, den sie einst für überflüssig hielten?

Ich werde wütend. Halte ihm vor: Habt ihr nicht der Hand, die euch jetzt bitte rettend entgegengehalten werden soll, nun, da euch selbst das Wasser bis zum Hals steht, ständig auf die Finger geklopft - in einer Pose, die man als Hass auf das Arme, Versehrte und Uneffiziente lesen konnte? Er wiegelt ab, trinkt jetzt einen Jahrgangsobstler auf ex und sagt: Seid doch froh, ihr Linken, wir machen doch schon nicht mehr den Mund auf, selbst bei "Anne Will" hören sich unsere Leute nicht mehr an wie einst bei "Christiansen".

Nur noch eine Frage, Kumpel: Gilt diese neue Bescheidenheit denn auch für Leute wie Hans-Olaf Henkel, Meinhard Miegel oder Oswald Metzger, Trompeter einer Marktwirtschaft ohne Regeln? Fast will mir scheinen, dass er nun weint. Nein, das sei doch seine schlimmste Tragödie. Die grölen immer noch so laut, unbelehrbar. Jetzt käme es doch darauf an, dass alle in ihre Sack-&-Asche-Anzüge steigen, und sei es nur in der Form des Tarnkostüms. Sie werden uns um allen restlichen Kredit bringen, sagt er, sie haben uns in den weltanschaulichen Abgrund gerissen.

Ehe wir uns, mit deutlichem Schimmer im Gemüt, verabschieden, noch eine allerletzte Frage en passent: Tritt er aus der FDP aus? Nein, er wehrt ab, das wäre Verrat, das wäre, als würde ein Gehirnchirurg an ihm schlachten. Reicht es nicht, wenn wir wissen, dass wir nicht sexy sind momentan? Fragt dann giftig zurück: Wollt ihr Linken denn jetzt alle Gegnerschaft auslöschen - und sei sie noch so klug?

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