piwik no script img

Kolumne ÖkosexSolare Schwiegerväter

Im griechischen Thessaloniki gibt es Sonne und Feinstaub ohne Ende, aber keine Fahrräder. Noch gilt das als normal.

Ich war letzte Woche in Thessaloniki. Die ganze Woche hatte ich viel Souvlaki, viel Sonne, aber nur ein einziges Fahrrad und kein einziges Photovoltaik-Modul gesehen. Das Fahrrad lag kaputt am Straßenrand. Dafür jeden Tag gestautes Blech im Zentrum. Nebenbei erfuhr ich, Thessaloniki sei die Feinstaub-Königin der EU. Da entwickelte ich eine super Idee: Hier wären Fahrräder und Photovoltaik nicht schlecht. Weshalb keine Verkehrsberuhigung durch Fahrradverkehr? Liegt es am Geld, an der Technologie, am Wetter?

Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. ER liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.

Die Thessalonikianer zuckten mit den Schultern. Spektakulär teurer Metrobau, jawoll, das werde angegangen. Geld verbuddeln gehört zum Ideen-Kanon der griechischen Eliten. Eine Stadt mit Fahrrädern, griechische Bürger, die pfeifend durch die verkehrsberuhigte Stadt radeln, das liegt dagegen außerhalb jeglicher Vorstellungskraft. Sechs Euro zahlen für ein schlappes Heineken im Straßencafé, das lag bisher außerhalb meiner Imagination, aber das finden die Griechen wiederum normal.

Eine andere verrückte Idee: Flüge müssen billig sein. Umweltminister Sigmar Gabriel tat mir ein bisschen leid, als er vor zwei Wochen wegen seiner Flüge von Bild zum Chefheuchler gekürt wurde. Ich fliege zwar nicht allein mit der Luftbereitschaft der Bundeswehr, aber schon auch mit dem Flugzeug nach Griechenland.

Dienstlich. Und eben ab und zu in der EU herum. Da ich sowohl die EU als auch Ökosex liebe, ist Fliegen also gut und schlecht in einem. In jedem Fall ist es zu billig. Mein Ticket war mit 200 Euro für meinen Arbeitgeber unverschämt günstig, denn da war das Zeh-oh-zwei nicht dabei. Thessaloniki kostet aber auch 860 Kilogramm CO2 und mich damit 19 Euro bei Atmosfair.de. Selbstverständlich ist das Kompensieren nur zweite Wahl. Die Idee der wahren Preise ist besser, und die kommt gewaltig. Die Niederländer werden als erste beim Buchen fluchen.

Komm ich heim nach Maastricht, verkündet unsere Regierung: ab 2008 wird jeder innereuropäische Flug mit 11.25 Euro Ökosteuer belegt. Transatlantisch sogar 45 Euro. Noch vor 10 Jahren wurde das abgetan als verrückter Einfall miesepetriger Ökos, die uns den Malle-Urlaub nicht gönnen. Heute denken sogar die britischen Tories über eine Flug-CO2-Steuer nach. Wie war das mit Rauchen verbieten in Kneipen? Und mit solaren Schwiegervätern?

Es geht, es gibt sie! Ruft mich meiner fröhlich an und verkündet stolz, dass die 20 qm-Kollektoren montiert sind. Damit realisiert dieser Württemberger mit Heizungserneuerung ruckzuck 50 Prozent Erdgaseinsparung. Damit hat er das Klimaclub-Ziel (-50% CO2 bis 2008) schon erreicht und zieht an mir vorbei. Verrückt. Neid ist übrigens auch ein gutes Schmiermittel der solaren Effizienzrevolution.

Ist womöglich meine Generation träger als ihre Schwiegerväter? Nicht auszudenken. Ich sage nur Wechsel zu grünem Strom: Antrag abgeschickt? Da braucht es nämlich auch ein bisschen Vorstellungsvermögen. Gerade jetzt kann aus dem positiven Wechseltrend eine wirkliche Massenkündigungswelle werden. Das konnten sich EnBW, Vattenfall, RWE und Eon vor kurzem auch noch nicht vorstellen. Aber da ist noch viel Luft drin.

Und was ist mit der Idee einer hundertprozentigen Erneuerbaren Energiewirtschaft? Dass die Erneuerbaren Potential haben, verkündet heute jeder CDU-Kreisvorsitzende. Dass es sinnvoll und möglich ist, dass wir jetzt und heute viel radikaler 100 Prozent Erneuerbare anstreben, das ist eine Vorstellung, die bei jedem geplanten Kohlekraftwerk und bei jedem Streit um einen Windpark eine immer stärkere Rolle spielen wird. Übrigens macht Regiosolar (s. Link) dazu eine tolle Konferenz.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • TL
    Torsten Lütten

    Hallo Herr Unfried,

    Ihr Artikel hat mir gut gefallen. Zu Saloniki eine Ergänzung:

    Als ich anläßlich der Solarmesse im Frühjahr dort war, fielen mir zwei Dinge auf: Die etrem starke Nachfrage nach Photovoltaik aufgrund des vom deutschen EEG kopierten griechischen Einspeisegesetzes und locker hundert Heizpilze vor Straßencafes am Hafen. Es gibt also beides: Wachstum in die richtige und in die falsche Richtung.

    Mein Ansatz ist daher Gutes tun und darüber reden: Die ersten PV Netz-Anlagen werden in Griechenland gerade angeschlossen.

    In einigen Tagen bin ich wieder in Saloniki und werde einige langjährige und viele neue Kunden besuchen: ein Boom á la Deutschland und Spanien steht bevor - geht doch!

    Sonnige Grüße,

    Torsten Lütten, Export, CentroSolar AG, Hamburg