Kolumne Ökosex: Von Grünwaschbären und Utopia
Viele Medien finden Öko cool, weil die Amerikaner es cool finden. Ökosex findet es gut, denn Hauptsache, es knallt!
Neues vom Klimaclub. Sie erinnern sich, wer mitmacht, senkt seinen Verbrauch fossil-atomarer Energien bis Ende 2008 um 50 Prozent. Also nix Weltbewegendes.
Am Mittwoch las ich den grünen Strom ab bei mir zu Hause in Maastricht. 1.380 Kilowattstunden verbrauchte im Vierpersonenhaushalt in den letzten 12 Monaten. Das ist okay. Wichtiger: mehr als 4.000 Kilowattstunden erneuerbar produziert mit Photovoltaik und Windanteilen. Das ist noch zu wenig und muss erheblich verbessert werden.
"Kinder", sagte ich, bei der Klimaclub-Konferenz in unserer Küche, "Stromkunden in die Produktion ist die ultimative Antwort auf die frechen Stromkonzerne." Und fügte hinzu: "Wir Klimaclubberer müssen uns von einem dahergelaufenen Nobelpreisträger nicht sagen lassen, wie wir das Klima schützen können."
Damit meinte ich Al Gore, der ja vor kurzem zu Gast beim Kohle und Atomkonzern EnBW war als Grünwaschbär. Greenwashing, das Grün-Anstreichen von Kohle, Atom und Autokonzernen hat seinen medialen Höhepunkt erreicht.
In der letzten Ausgabe des Spiegels haben Eon, RWE und Co. ganz viel Kohle verbraten: "Sind wir nicht alle total Klimaschutz?" Mal ehrlich Vattenfall und EnBW: ihr seid uncool, da helfen keine Werbemillionen und auch kein Goretext. Aber nicht ungerecht werden, Al Gore hat viel für Ökosex getan.
Kommt im Jahre 2006 daher, und plötzlich sind alle global emotionalisiert. Erschütternd komisch: Besonders in den Niederlanden und in Deutschland entdeckten plötzlich die Medien, die wirtschaftlichen Eliten und die Showbiz-Promis ihre Klimaschutzgefühle. Wohlgemerkt, nachdem wir seit fünfzehn Jahren nationale Klimaschutzziele haben und Debatten führen.
Plötzlich ist sogar Engagement "in". Das ist wirklich neu, denn gerade diese Nasen waren bisher die Spaßbremsen. Sie haben das Bild vom Moralapostel-Öko recht lange gepflegt, der uns das Leben vermiesen möchte. Diese Meinungsführer verteidigten bis vor kurzem nicht nur die absurdesten Autos, sondern lehnten es sogar öffentlich ab, Konsumverantwortung zu übernehmen.
Sigmar Gabriel, der Umweltminister, versucht bis heute den Eindruck zu vermeiden, er sei wirklich ein Öko. Er dachte, das schade seinem Image. Vielleicht hat er sich da jetzt doch getäuscht. Denn der Mainstream kippt: Öko ist bald mega-in. Lange war uns hier bei Ökosex nicht wirklich klar, warum diese Blockade erst von Al EnBW Gore geknackt wurde. Jetzt langsam dämmert es. Weil Al Amerikaner ist. Weil die Botschaft durch die Hintertür aus Kalifornien kommt und nicht aus Wuppertal.
Das findet Ökosex zwar gaga, wenn es knallt, ist das aber in Ordnung. So war das bei einem ganz nahen Verwandten von mir. Dem hab ich mehr als zehn Jahre probiert klarzumachen, was der Unterschied ist zwischen Dünnschicht-(Photovoltaik) und Dünnbrett-Industrie (Atom und Kohle). Warum er als Stromkunde die Produktion anwerfen müsse und so weiter. Das war dem jahrelang wurscht. Dann fährt er nach Amerika und wird schwups! kalifornisiert. Das heißt, er sieht diese Grünschickeria in ihren Hybriden priusen. Geht dort ins Kino, kommt raus und kriegt die Klima-Energiespar-Erleuchtung.
Crazy oder? Ich sagte nie "ecolize capitalism" und "people want leadership". Das war ein Fehler, denn das kommt gut an, wie ich gelesen habe. Das sagte Randy Hayes, das ist ein Öko aus USA, neulich in München als Motivator bei der Eröffnung der Internetseite utopia.de. Die ist amerikanisch inspiriert, in Richtung strategischer Ökokonsum.
Ganz neu in der Professionalität: utopia.de will eine "Community" aufbauen und hat auch Promis im Boot wie Sandra Maischberger. Das findet Ökosex prima.
Ja, wir hatten Ökoinstitute, die Grünen im Bundestag, Eurosolar und all die Politfighter. Eine schicke Ökoavantgarde, die den Mainstream mitzieht und der Gesellschaft Appetit macht, die hat uns gefehlt. Ich ruf mal an. Vielleicht feiern die auch Weihnachten ohne Atom.
ÖKOSEX Fragen zu Al Gore? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried über seine CHARTS
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