Kolumne Ökosex: E - wie Einnahmequelle
"Affe Charly" und das Sponsoring: Was hat Harald Schmidt mit dem Volkswagenkonzern zu tun?
Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
In Brüssel legen sich die deutsche Autoindustrie und ihre Regierung in diesen Tagen schwer ins Zeug. Sie finden es gemein, dass französische und italienische Unternehmen einen Vorteil haben, nur weil sie kleinere Autos bauen. Deren Schuhschachteln sind zwar näher dran an den 130g/km CO2, die im Jahr 2012 durchschnittlich ausgestoßen werden sollen.
Das heißt aber noch lange nicht, dass die deutschen Brummer benachteiligt werden sollten. Das hat mit Politik zu tun. Wer viel ZDF guckt, kann dafür Verständnis haben. Das allerdings hat mit Kultur und dem öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag zu tun.
Und das kommt so. Wenn in einer Sendung ein Affe in einem affigen Auto fährt und ein affiger Moderator eines verlost, dann ist Sponsoring-Time im ZDF. Letzten Samstag erlebten wir wieder in Maastricht einen aufregenden deutschen Fernsehabend. Es ging los mit "Affe Charly". Da kommt der Tierarzt mit dem Off-Roader. Meine Kinder kreischen: "Ein VW Touareg mit 317g/km CO2 Emissionen!" So ein Zufall. Da emittiert schon die Frau vom Tierarzt heran: ein neues VW Eos Cabrio mit 159g/km CO2 als Zweitwagen. Ist das schön!
Dann versteckt Charly, der Affe, was im Handschuhfach vom Touareg. Innen ganz schön geräumig, dieser VW Touareg!
Die Kinder schreien: "Los, Papa, sagt es." Dann sag ich es, weil ich es immer sage. "Ja, Kinder, ob das ZDF von VW ein bisschen Geld dafür kassiert? Ein Tierarzt in einer so hoffnungslos altmodischen CO2-Schleuder? Diese Drehbuchvariante sollte schon etwas wert sein." "Ach, so", tun die Kinder erstaunt, "du meinst, das ZDF kriegt Geld für das Herzeigen von Steinzeitprodukten?" Ich nicke nur, was juristisch nicht eindeutig zu werten ist. "Super, Papa", loben die Kinder, "Ökosex ist der größte Sponsoring-Detektiv aller Zeiten."
Meine Kinder und mich stört das mit dem Touareg nicht. Mein kleiner Sohn sagt immer, Sponsoring trage - ebenso wie andere kommerzielle Einnahmequellen - zur Stärkung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei. Dies sei vom Bundesverfassungsgericht im 8. Rundfunkurteil vom 22. Februar 1994 bekräftigt worden. "Richtig, mein Sohn", füge ich hinzu, und die Gebühren würden ohne Sponsoring natürlich steigen. Uns wäre das zwar wurscht, weil wir zahlen ja eh keine deutsche Fernsehgebühr im Ausland. Aber für die echten Deutschen in Deutschland wäre das nicht sozialverträglich. Deshalb finden wir "Wetten, dass ?" auch so dufte. Denn "Wetten, dass?" ist ja wohl komplett über Sponsoren finanziert.
Merkwürdigerweise sind diese alle im Geschäftsbereich des Antiklimaschutzes tätig. Das ist manchmal nicht einfach für den Moderator Thomas Gottschalk. Der ist im echten Leben ein Nachhaltigkeitsfan. Ist ja ein ganz normal intelligenter, sympathischer Mensch. Dennoch steht er ab und zu vor einer CO2-Schleuder und flötet: "Toller Audi, kann man gewinnen." Noch vor Monaten musste er sogar die absurde Klima-Killerschüssel R8 empfehlen - Verbrauch in der Stadt rund 22 Liter. Vor einem Millionenpublikum. Ohne rot zu werden. Ein echter Profi.
Am Samstag hat Gottschalk ohne zu lachen einen hochgezüchteten Audi A4 präsentiert (219g/km CO2). Er macht das so überzeugend, dass 15 Millionen Zuschauer nicht ganz sicher sind, ob er diese Schrottkiste nicht vielleicht doch gut findet.
Dann kam nach der Kinderwette der Hammer, die tolle Überraschung: der Kohle- und Atomkonzern Eon ist als Sponsor bei "Wetten, dass?" eingestiegen. Meine Kinder kreischen vor Vergnügen. Eine Zuschauerin gewinnt ein Jahr lang Atom- und Kohlestrom von der Eon-Tochter "e - wie einfach". Was für ein Preis! Da rutscht Gottschalk dann doch ein flapsiger Kommentar raus: "Aber dennoch schön Strom sparen", empfiehlt er der Gewinnerin. In welchem Auftrag? Schwierig bei öffentlich-rechtlichen Moderatoren.
Harald Schmidt hat letzte Woche in einem Zeit-Interview den genialen Satz formuliert: "Wer sich mit Umweltschutz beschäftigt, hat zu viel Freizeit." Ich nehme an, auch dies war von Volkswagen gesponsert. Immerhin hat Schmidt neulich bei "Affe Charly" mitgespielt. Das ist doch kein Zufall.
Fragen zu Gottschalk? kolumne@taz.de Montag: Kirsten Reinhardt über Katastrophen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül