Kolumne Ökosex: Hier Hose nass, dort Wasser knapp
Die Europäische Union ist komplex: In Katalonien wird das Wasser knapp, obwohl sich die Fahrräder vermehren.
A propos fietsen. Viel Beifall von der richtigen Seite für mein Ansinnen, dem niederländischen Wort "fietsen" in all seinen Varianten in die deutsche Sprache zu verhelfen. Deshalb und auch wegen des anhaltenden Sonnenscheins eine kleine Wasser-Einleitung. Ich bin häufig in den letzten Wochen in Maastricht bei strömendem Regen ins Büro gefietst. Mein Fiets war ganz nass. Wir hatten hier einen eher unfreundlichen Fiets-Februar, weniger gutes Fiets-Wetter im März und auch im April kam ich eher nass als trocken fietsend an. Nicht schön, wenn die Hose des Fietsers an den Oberschenkeln klebt. Es riecht dann auch schon mal am Arbeitsplatz so komisch, wenn die Klamotten vor sich hin meucheln. Da lachen meine niederländischen Kollegen und verweisen auf ihre trockenen Hosenbeine: "Its the fietshose, stupid!" Wie alle Untertanen von Königin Beatrix meinen sie, die Fietsregenhose sei das Essential guter Fahrradbekleidung. Ich fand bisher Fietsregenhosen eher subökosex, doch die nächste Regenwoche kommt bestimmt. Ich werde eine kaufen. Mit meiner Fietshose bin ich dann aber noch lange kein "Trockenpendler". Das sind Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren. Sie sind noch weicheiiger als Frühbucher und fast so schlimm wie Atomstromkocher. Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Ach ja, es gab dieses Jahr also Wasser satt in Maastricht.
Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Ganz anders in Spanien. Da war ich diese Woche im Urlaub. Aber komme ich irgendwo hin, liegen die Ökosex-Themen auf der Straße. Der Iberer fiets bekanntlich wenig bis gar nicht ins Büro. Das ist unverständlich. Denn es regnet in Spanien weniger bis gar nicht. Niemand braucht auch nur im Traum den Kauf einer Fietsregenhose zu erwägen. In der Gegend von Barcelona ist es momentan am schlimmsten. Die größte Trockenheit seit 50 Jahren. Die katalanischen Ausgabe der El País bringt jeden Tag seitenlange Krisenberichte. In Barcelona dürfen die Pools nicht mehr befüllt werden. Es ist sogar denkbar, dass dort in wenigen Wochen das Wasser stundenweise abgestellt werden muss. Die katalanische Regierung überlegt hektisch, woher sie Wasser in die Hauptstadt umleiten könnte. Das ist so, als suche man auf dem Fahrrad im strömenden Regen ein Fahrradbekleidungsgeschäft. Glück im Unglück: Unser Pool war gefüllt, denn wir waren etwas nördlicher in der Gegend von Girona. Ich verstehe die Gironesen. Die haben noch Wasser, aber keine Lust, den Barcelonesen was abzugeben. Die Aragonesen auch nicht. "Verteilungskrieg ums Wasser" ist zwar eine tolle Überschrift, aber keine schöne politische Realität. Wo wir wieder beim Vorsorgeprinzip wären. Die Nochwasserbesitzer haben keine Lust, die mangelnde Vorsorge der anderen in hektischer Nachsorge auszubaden. Glaube ich den spanischen Zeitungen, ist seit langem klar, dass die Landwirtschaft, der Tourismus und die Haushalte zu viel Wasser verschwenden. Vor allem auch, weil der Wasserpreis viel zu niedrig ist. Da muss der spanische Regierungschef Zapatero endlich ran. Leider hat die Regierung bisher lediglich eine große Zahl von Wasserentsalzungsanlagen geplant. Die brauchen aber höllisch viel Energie, und das wird die ohnehin viel zu hohen CO2-Emissionen Spaniens weiter in die Höhe treiben. Und die Temperatur eventuell auch. Was gibt es eigentlich Positives aus Spanien?
Fiets-Revolution in Barcelona. Jede Menge weiß-rote Fietsen im Stadtbild. Wieder eine Stadt in Europa, die es mit einem öffentlichen Fahrradverleih probiert. Für 24 Euro im Jahr gibt es ein Abo. Dann ist die erste halbe Stunde immer gratis, weitere halbe Stunden kosten jeweils 30 Cent. Registriert wird die Nutzung über eine Karte und einen stationären Automaten. Bis zum ersten Juni sollen es 100 Stationen sein, mit rund 1.500 Fahrrädern in der Innenstadt. Das ist Ökosex! Für mich war der Anblick der fietsenden Katalanen allerdings bitter. Ich wäre so gerne die Diagonal runter und die Ramblas rauf geradelt. Als Tourist war mir aber die Nutzung nicht gestattet. Man braucht eine spanische Adresse zur Registrierung. Das war schlimmer als jede kalte Fietsdusche in Maastricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Die Wahrheit
Glückliches Jahr