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Kolumne Ökosex"Wetten, dass ?" verhöhnt Ökosex

Kolumne
von Martin Unfried

Warum Atomstrom kein schöner Preis ist und Gottschalk im Kampf um die Umwelt endlich die Seite wechseln muss.

E in "Ökosex-Déjà-vu": Samstagabend, ein Sofa, meine Kinder, ich im Frotteeschlafanzug, eine Packung Chips und "Wetten, dass …?" im deutschen Fernsehen. Wie bereits in einer früheren Kolumne angetippt, ist diese Familienunterhaltung ökoemotional höchst interessant. Für jeden aufrechten Solare-Effizienz-Revolutionär ist sie ein Muss: Spiegelt sich in Thomas Gottschalks Augen doch die Seele der verunsicherten Brumm-brumm-Nation in Krisenzeiten.

Bild: taz

Martin Unfried, 41, arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.

Gottschalks Schlüsselsatz war am Samstag: "Der verbraucht nur 7 bis 8 Liter". Dabei meinte er den lächerlichen Audi, für den er auf der Bühne Reklame machte. Erst zur Schlüsselfrage: Was genau ist denn in Deutschland ein unkomplizierter, netter Typ, der sich nicht zu viel Gedanken macht? Welche versteckten Signale sendet er aus? Wie weit ist er noch gefühlsmäßig von der nachhaltigen Entwicklung und von Ökosex entfernt?

Weiß Gottschalk so ungefähr, was im neuen Standardwerk "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" (BUND et al., 2008) steht? Ahnt er, dass laut Professor Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut das Segelschiff Symbol unseres neuen Wirtschaftens sein sollte? Fühlt Gottschalk, dass unsere bisherigen Megatanker eine Ölspur der Vernichtung und Verschwendung hinter sich herziehen? Ressourceneffizienz, Reparaturfreundlichkeit, erneuerbare Energien, globale Gerechtigkeit? Spielt das bei "Wetten, dass …?" eine Rolle? Nein, der öffentliche Thomas Gottschalk sendet keine Signale in diese Richtung, so die deprimierende Analyse von Samstagabend.

Im Gegenteil: Er macht wie gehabt öffentlich-rechtliche Werbung für Atom- und Kohlestrom der Firma E-Wie-Einfach. Damit sind für den glücklichen Gewinner des Haushaltsstroms 288 g CO2-Emission/kWh und 0,0012 g radioaktiver Abfall/kWh verbunden. Ressourcenschonung? Gottschalk hat im Saal dem Zuschauer Frank Bollkämper 5.000 Euro in die Hand gedrückt und dann vor laufender Kamera dessen Opel Astra Kombi verschrottet. Als Volksvergnügen.

Vernichtung von Werten und Ressourcen als Gaudi. Das wird nicht intelligenter, nur weil es die Regierung vormacht. Der Astra sah noch dufte aus und hätte sicher noch viele Jahre so mancher bedürftigen Familie in Deutschland oder Afrika treue Dienste geleistet. Wo bleibt die Gerechtigkeit?

Dabei wären "Wetten, dass …?" und der Samstagabend für das nachhaltige Deutschland in einer globalisierten Welt so wichtig. Auf Gottschalks Couch regiert nämlich das bewusst Unbewusste des oberflächlich Unpolitischen, das stets das Leichte und Heitere nur vortäuscht. In diesem Umfeld ist es jammerschade, dass die Sponsorenpropaganda wie gehabt gegen und nicht für die nachhaltige Entwicklung agitiert.

Womit wir beim Audi wären. Kati Wilhelm, eine Ski- und Schützenkönigin, kam mit dem neuen Audi Q5 2.0 TDI auf die Bühne gedieselt. Dieser war der Hauptgewinn beim ZDF-Gewinnspiel. Tolles Auto, sagte Thommie, beeilte sich aber, das mit den 7 Litern aufzusagen. Aha, das war neu.

Da war also tatsächlich der gesellschaftliche Druck so groß geworden, dass der Mainstreamer Gottschalk plötzlich vom Verbrauch redet. Wurde hier also vor den Augen meiner Kinder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für ein halbwegs vernünftiges Auto geworben? Mitnichten.

Der Audi hat einen Ausstoß von lächerlich hohen 175 g CO2 pro Kilometer und steht für die heutige Lebenslüge der Autonation: Weiter mit PS-Geprotze und Panzerdesign, nur schnell ein grünes Mäntelchen drüber. Noch ist es Gottschalk anscheinend nicht zu peinlich, sein Gesicht dafür hinzuhalten. Vielleicht liest er diese Zeilen und das Buch über Zukunft in einer globalisierten Welt. Vielleicht entdeckt er seine Liebe zu Segelschiffen und Ökosex. Vielleicht sucht er sich endlich angenehmere Sponsoren.

Deutschland muss sich verändern, damit es seinen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Welt leisten kann. Und Thomas Gottschalk spielt dabei eine Schüsselrolle.

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10 Kommentare

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  • M
    matze

    ...absoluter Blödsinn, was hier verzapft wird.

    Herr Bollkämper, hätte also seinen 9 Jahre alten Astra behalten sollen, der mit der veralteten Technik einen ebenso hohen CO2 Ausstoß hat wie der moderne und wesentlich leisstungsstärkere und effizientere Q5?

    Zum Vergleich:

    Audi: Q5 2,0 TDI / 170 PS / 175g CO2/km

    Astra Beispiel: Astra 1,6 Bj. 2000 / 75 PS / 168g CO2/km

     

    Ach ja und dann, wenn der Wagen dann doch nicht durch den TÜV kommt, oder der Motor die Grätsche macht, soll er den nach Afrika verschicken? - So wollt Ihr mit dem Müll umgehen... einfach nach Afrika mit dem Schrott.

    Naja, hier bin ich sicher, dass der Wagen umweltgerecht abgewrackt und zum größten Teil wiederverwertet wird.

     

    Ist schon komisch, solche Argumente von solchen Pseudo-Ökos zu hören... also jetzt erst recht, ich kaufe mir einen Q5 und, an der Ampel sollten dann solche Ökos wie Ihr in Euren bunt mit Blümchen angemalten Dreckschleudern versinken, denn ich fahre umweltfreundlich.

  • UR
    Uwe Richard

    @redaktion

    Folgendes muss man nicht veröffentlichen:

     

    Jetzt habe ich doch noch was zur ökosex (gruene-mol.de, http://www.gruene-mol.de/mitglieder-und-themen/themen/erneuerbare-energien/oekosex-archiv-2009/) gefunden, die unter anderem auch mit fairkehr zusammenarbeitet.

     

    Das scheint eine Truppe von Alt-68er und Ökos zu sein, die es nicht einmal in die Politik geschaft haben.

     

    Aufgrund guter Kontakte bekommt man staatliche Zuschüsse. Stichwort: Öko-industrieller Komplex.

    Man lässt sich also, von jeder Scham befreit, vom Staat aushalten.

     

    Einen schönen Abend noch.

     

    Uwe Richard

  • UR
    Uwe Richard

    Nachdem ich „aus Versehen“ über diese (unbeabsichtigte) Satire? gestolpert bin, deren Inhalt sich meinem Begreifen erfolgreich entzogen hat, habe ich versucht, mich an Hand der Kommentare zu verbessern. Es ist mir nicht gelungen.

     

    Zu meiner großen Verwunderung musste ich aber feststellen, dass die taz vermehrt von Spießern gelesen zu werden scheint, deren Intellekt sogar noch von der Europaabgeordneten Frau Dr. N., die eine geschlossene Zimmertür zu unterqueren im Stande ist, ohne sich bücken zu müssen, getoppt wird.

     

    Ich bin erschüttert.

     

    Uwe Richard

  • F
    Frank

    Alle schimpfen auf die hohen Managergehälter. Weiß hier jemand, was dieser blonde Volksverdummer so verdient? Oder unsere gedopten Spitzensportler? Ich glaube, die meisten Manager wären blass vor Neid….

  • KL
    Klaus L

    Zu dieser ganzen Öko-Kampagne kann ich nur sagen: "Am Thema vorbei! Zwar nicht ganz aber so ziemlich." Die einzig wirkliche Alternative für uns ist es, einen Schritt zurück zu machen, den IndustrieHANF wiederzubeleben und seine Möglichkeiten auszuschöpfen. Weltweit!

    Jeder sollte sich darüber informieren und Druck auf unsere Politiker machen!!

    K.

  • M
    Mathias

    Köstliche Satire, diese Ökosex Kolumne. Leider erkennen das die Kollegen Kommentatoren (außer GRxxt vieleicht)nicht wirklich und gehen mit branchenüblichen Bierernst (natürlich Ökobier) zur Sache.

  • V
    vic

    ...und noch was zu Atomstrom.

    26.April.2009.

    23 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe.

    Höchste Zeit - ENDGÜLTIG auszusteigen.

    Wer´s noch nicht getan hat: Schmeißt den Dreckstromproduzenten ihre Verträge vor die Füße und wechselt endlich.

  • V
    vic

    Der Typ ist nur ein peinlicher Hampelmann.

    Das hat ihm nur noch niemand gesagt.

    Allerdings mindestens so gefährlich wie Bild, da ebenso massenwirksam. Und er bedient dasselbe fernsteuerbare Publikum.

    Vermutlich gibts nur noch einen Grund den Mist zu senden: Die Werbung an diesem primetime Sendeplatz.

  • K
    Klugscheißer

    Vielleicht reicht's ja auch, die Zahnärzte zu bekehren: Als ich dieser Tage abends nach Hause ging und an der Ampel wartete, stand dort ein schneeweißer Porsche Cayenne -- und auf dem Fahrersitz mein Zahnarzt. Ich blickte rüber, guckte etwas abschätzig, und dann hatte ich das Gefühl, als würde der gute Mann auf seinem Sitz richtig zusammensacken. Ich verallgemeinere mal kühn: Offenbar ist -- auch wenn Gottschalk noch eine ähnliche Schleuder als Hauptgewinn vergibt -- die Botschaft auch bei den Fahrern solcher Kisten angekommen: Dass sie ein zutiefest asoziales Auto fahren. Und das macht mir doch Hoffnung, dass sich etwas bewegt.

  • G
    Grxxl

    Aha. Ich kann jetzt nicht erkennen, wo hier eine Verhöhnung der Öko-Sekte vorliegen soll. Hat von der schon mal jemand etwas gehört. Der Gottschalk tut gut daran, eine solche Unterhaltungssendung nicht auch noch zu einem Forum für diese Ökofreaks umzufunktionieren. Bringt den Wichtigtuer zurück ins Heim.