Kolumne Nullen und Einsen: Nackt und willig
Wer im Netz die Hand aufhält, muss irgendwas zurückgeben. Zum Beispiel ein Stück von sich selbst.
S penden von 2,5 Millionen Dollar an einem Tag einsammeln – das ist schon ziemlich beeindruckend. Besonders, wenn es um eine Film-Adaption einer US-Serie geht, die schon seit fünf Jahren nicht mehr läuft. Die Teenie-Ermittlerserie „Veronica Mars“ ist das neueste Superlativ-Beispiel für eine supererfolgreiche Kickstarter-Kampagne: Noch nie ist eine Million schneller zusammengekommen. Mal wieder genug Fans, die Geld dafür ausgeben, ein Produkt zu bekommen, dem die Kulturindustrie keine Chance gibt.
Noch nie von „Veronica Mars“ gehört? In den USA war die Serie ein Kritiker-Liebling – und lief bis 2007 mit einer soliden Fan-Base, die offenbar ein gutes Langzeitgedächtnis hat. Und die sich nicht einmal davon hat abschrecken lassen, dass sie aus eigener Tasche ein Projekt mitfinanziert, das von dem Filmgiganten Warner Bros. fertiggebacken wird – wenn denn erst mal genug Fan-Anschubfinanzierung da ist.
Toll und wild und romantisch sind all diese Crowdfunding-Geschichten der letzten Zeit ja irgendwie. Kickstarter ist so etwas wie eine Vorbestellungsplattform für visionäre Nischenprodukte geworden: Eine Smartwatch? Eine Open-Source-Spielekonsole? Neues Album und Tour von Musikerin Amanda Palmer? Geht alles, wenn genug Leute zusamenkommen. Das ist irgendwie nicht weniger als eine industrielle Revolution. Nur eben eine kulturindustrielle: souveräne Künstler, souveräne Konsumenten. Nachfrager, die das Angebot bestimmen. Yay.
Meike Laaff leitet das Ressort taz2/medien und twittert als //twitter.com/mlaaff:@mlaaff.
Wenn es funktioniert. Denn die Hälfte aller Crowdfunding-Projekte scheitert daran, dass kein Mensch die Newcomer kennt, die da die Hand aufhalten. Oder daran, dass die Künstler keine Lust auf Bonding mit den Fans haben. So wie die Sängerin Björk.
Garstige Marktverwertungsmechanismen und so
Palmer dagegen geht in den Fan-Vollkontakt: teilt nicht nur ihr Schaffen und Privatleben über soziale Netzwerke, sondern lässt sich auch mal spontan von einer Meute nackt mit Edding anmalen. Wie viel man der Öffentlichkeit von sich preisgeben will, als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung im Netz, muss jeder selbst entscheiden. Klar ist aber: Je schlechter Preisschilder im Netz funktionieren, umso freier kreative Produkte zugänglich werden, desto wichtiger ist es, den Konsumenten so für sich einzunehmen, dass er freiwillig gibt. Deshalb erfinden sich die neu, die sich – zumindest als Kunstfigur – der Masse öffnen, um deren Geldbörsen zu öffnen. Und zwar als Marke.
Ja, richtig verstanden. Gilt auch für Journalismus.
Wüsste ich nicht selbst, dass marktschreierische Selbstdarstellung auch was Ekliges hat, würde wahrscheinlich die auf meinen Namen registrierte Homepage nicht seit zwei Jahren brachliegen.
Trotzdem ist es doch so: Je schwächer kulturelle Dachmarken werden – Verlage, Labels oder Filmstudios –, desto besser ist man beraten, sich auch mal anzupreisen. Man muss sich ja nicht gleich ausziehen.
Kann man blöd finden. Garstige Marktverwertungsmechanismen und so. Kann man ja auch lassen. Und drauf hoffen, dass auch übermorgen noch irgendjemand da sein wird, der einem Geld für das gibt, was man gerne tun möchte.
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