Kolumne Nebensachen aus Rom: Eine ganz besondere Spezies
Die Taxifahrer in Italiens Hauptstadt suchen ihresgleichen. Der Fahrgast fühlt sich oft genug, als wäre er ungefragt ins Wohnzimmer fremder Leute eingedrungen.
R oms Taxifahrer, so schien es, leben in der besten aller möglichen Welten. Vor knapp drei Jahren war "ihr" Kandidat, der stramm rechte Gianni Alemanno, zum Bürgermeister gewählt worden; die Bilder von Horden faschistischer Taxifahrer, die damals auf den Treppen des Kapitolspalastes den Wahlsieg feierten, den rechten Arm zum Duce-Gruß gereckt, gingen um die Welt.
Die Euphorie war verständlich. Endlich war der "rote" Walter Veltroni weg, jener Bürgermeister, der es gewagt hatte, im Jahr 2007 knapp 2.000 neue Taxi-Lizenzen auszugeben. Veltroni war zu Ohren gekommen, dass es schon beim ersten Regentropfen in Rom so gut wie unmöglich war, ein Taxi zu finden, dass Kunden in den Randvierteln oft vergeblich warteten, dass es samstags abends selbst im Zentrum der Stadt einer Lotterie gleichkam, nach einem Taxi zu suchen. Macht nichts, meinten dagegen die damals 5.800 "Tassisti". Veltroni sei ein Bolschewik, weil er behauptete, ihr Gewerbe sei eine "öffentliche Dienstleistung".
Da kam Alemannos Sieg wie gerufen. Und im Jahr 2011 schien endlich die Revanche komplett geglückt: Die Stadtverwaltung genehmigte Roms Taxifahrern eine Erhöhung der Tarife von 92 Cent auf 1,42 Euro pro Kilometer - ein Zuschlag von fast 60 Prozent. Den hätten sie auch verdient, glauben die Taxifahrergewerkschaften: als "Entschädigung" für Veltronis Frechheit, 2000 neue Lizenzen ausgegeben zu haben. Das Gemäkel der Kundschaft über die satte Preiserhöhung ließ die Freibeuter am Steuer völlig kalt. Dann aber machte das Verwaltungsgericht einen Strich durch die "Tarifanpassung", die völlig unangemessen sei. Seitdem herrscht recht dicke Luft beim Taxifahren. Am Hungertuch nagten sie seitdem, behaupten die "Tassisti". Der Fahrgast fühlt sich oft genug, als wäre er ungefragt ins Wohnzimmer fremder Leute eingedrungen. Über dem Rückspiegel prangt ein kleines Duce-Porträt, aus dem Lautsprecher plärrt ein Lokalradio, das sich nur mit der Mannschaftsaufstellung von AS Rom beschäftigt.
ist Italienkorrespondent der taz.
Manchmal können die Fahrer richtig nett sein und dem Fahrgast viel Ärger ersparen. Denn in Rom muss man nicht dilettantisch pfuschen, um zu akademischen Graden zu kommen. Es reicht, sich eine Krawatte umzubinden oder seriös durch die Brille zu schauen - und schon wird man am Taxistand mit einem "A dottó" begrüßt: "Herr Doktor, wohin geht die Fahrt?"
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