Kolumne Meer: Die Privatsphärokalypse ist nah!
Noch sind nur Gebäude unter Beschuss. Doch bald schon geht es auch gegen Menschen. Die ersten Opfer: Prominente. Die einzigen, die überleben werden: Clowns.
S chöne neue Welt nach der Privatsphärokalypse: Anonymität im Öffentlichen Raum könnte bald Geschichte sein. Noch sind nur Gebäude unter Beschuss. Bald geht es aber auch gegen Menschen.
Die ersten Opfer: Prominente. Am 19. Mai 2011 kamen neue Waffen im Kampf gegen die Privatsphäre in die Welt. Das US-Patent 20110116690, eingereicht von Google, beschreibt ein Verfahren, um Gesichter von Prominenten automatisch zu erfassen. Aussortiert werden sollen Bilder, auf denen keine Gesichter zu sehen sind – und Fotos von Nicht-Prominenten.
Wann auch die unter Beschuss geraten – unklar. Googles ehemaliger Chef Eric Schmidt sagt: "Die Verbindung von Suchfunktionen und Gesichtserkennung ist kein Thema für uns." Es existierten ungelöste Fragestellungen im Bereich der Privatsphäre.
JULIA SEELIGER ist Online-Redakteurin der taz. Sie schreibt die Kolumne "Meer", bei der sie ihre Blicke nicht nur über das Informationsmeer schweifen lässt.
Prominente und Nicht-Prominente
Der Einmarsch in persönliche Gefilde auch von Privatleuten in Zeiten des Web 2.0, in denen die sprichwörtlichen 15 Minuten Ruhm für jeden greifbar geworden sind und die Grenzen zwischen Prominenten und nicht Prominenten verschwimmen, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Google lauert. Wartet, bis sich eine andere Firma aus der Deckung wagt, um dann mit ihr gemeinsam die Privatsphäre sturmreif zu schießen.
Und da rotten sich die Armeen der Finsternis zusammen: Apple hat die Waffe iPhoto im Angebot. Und die Allianz Facebook-Microsoft unterläuft die Verteidigung der Privatsphären-Ritter und fährt ein ganzes Arsenal Trojanischer Pferde vor: automatisch hochgeladene Bilder werden mit einer Datenbank vermisster und missbrauchter Kinder abgeglichen.
Zum Gegenschlag ausgeholt hat der Student Adam Harvey. Künstlerisch schlägt er vor, auf bewährte Methoden aus dem Zweiten Weltkrieg zurückzugreifen: Mit Dazzle-Tarnmustern, wie sie in beiden Weltkriegen von der US Navy verwendet wurden, sollen sich Nutzer im Internet schützen. Dunkle, gern asymmetrische Muster im Gesicht sollen die Anti-Privacy-Armeen verwirren und Gesichtern im Netz eine Tarnkappe überziehen. User ddd34 kommentiert trocken: "Clowns werden die einzigen sein, die Robopocalypse überleben".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts