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Kolumne MännerNo Country for Old Men

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Heute stehen Männer unter einem ähnlichen Druck, sich schön zu machen, wie Frauen. Warum will mir das niemand glauben?

I ch bin eitel. Das zuzugeben, fällt einem heterosexuellen Mann, der einigermaßen bei Verstand ist, nicht leicht. Denn männliche Eitelkeit gilt unter Frauen als extrem unsexy. Einen Kerl ohne Nasenhaarpracht und Mitesser nehmen die Damen zwar schon gern. Nur ansehen darf man es den Herren nicht, dass sie fürs ansehnliche Angesicht was tun müssen. Mithin riskiere ich durch obiges Eingeständnis, allein durchs Leben zu gehen und nicht von reumütig gewordenen Bälgern am Grabe beweint zu werden. Aber wer dankt einem diese Aufrichtigkeit? Kein Mensch. Nicht einmal Männer.

Stattdessen nötigen mich diese Typen zu Fürchterlichem. "Kannst du mir helfen?", fragte mich ein Freund am Telefon. Er brauchte einen O-Ton-Geber für eine Radioreportage. Es ging um Männer und Kosmetik. "Und was habe ich damit zu tun?", fragte ich. "Na ja." Hüstel. "Du achtest doch auf dein Äußeres."

Wie ich das hasse. "Auf sein Äußeres achten", das klingt genauso verkrampft wie "Umstandsmode" oder "Seniorenresidenz". Wer so was sagt, der glaubt, etwas Unschönes kaschieren zu müssen. In diesem Fall geht es um eine eigentlich simple Einsicht: Wer gut aussehen will, der tut das weniger für sich als für seine Umwelt. Er oder sie macht sich also vom Urteil seiner Mitmenschen abhängig. Das tut zwar so gut wie jeder, nur will daran niemand erinnert werden. Männer sollen schön autark wirken, in sich ruhend. Ohne ein gewisses Maß an Eitelkeit aber gibt es kein gutes Aussehen. Oder stellen Sie sich doch mal George Clooney vor, wie er sich gedankenverloren in der haarigen Nase popelt. Na? Danke, Euer Ehren, keine weiteren Fragen. Das alles hätte ich diesem Freund am Telefon sagen können, um am Ende genervt aufzulegen. Ich tat es nicht. Er hatte mir ein Bier versprochen.

Alles, was ich dafür tun musste, war, ihn im "Nivea Flagship Store" Unter den Linden zu treffen. In diesem Lädchen zeigt das Unternehmen, zu welchen Spitzenleistungen in Sachen Paste-auf-Körper-Schmieren es fähig ist. Ich sollte ihm ein paar knackige Zitate liefern. Zwischen Shampoo ("Strong Power") und Duschgel ("Cool Kick") fragte er mich: "Warum kaufen Sie hier ein?"

"Ich war noch nie in dieser Hölle. Du wolltest doch, dass …" - "Mann, das hatten wir doch besprochen", sagte mein Freund und schaltete das Aufnahmegerät auf Pause. "Du sagst was Pointiertes, und dann gibts Alkohol. Also nochmal …"

Ich schluckte mein letztes bisschen Menschenwürde hinunter und dachte ans Gratis-Bier. "Heute stehen auch Männer unter dem Druck, gut auszusehen. Um für anspruchsvolle Frauen attraktiv zu sein und um im Job irgendwie dynamischer zu erscheinen. Das mit der Dynamik ist zwar totaler Humbug, aber wer will sich diesem Spiel schon verweigern? Und dann noch diese albernen Werbesprüche: ,Für Männer, die auch in ihr Gesicht investieren'?" "Äh, gehts auch ein bisschen positiver?", fragte der Freund leise. "Ist doch so", sagte ich genervt. "Männer müssen etwas für ihr Aussehen tun, und anders als Frauen darf man ihnen diese Mühe nicht einmal ansehen. Aber wer will schon verzichten auf reumütig am Grabe weinende Bälger, die …"

"Danke, das wars schon", sagte der Freund und knipste sein Aufnahmegerät aus. "Das mit dem ,dynamisch wirken müssen' nehme ich." Mein Freund eilte ins Hörfunkstudio. Ich blieb allein zurück - von Freunden missverstanden und ums Gratis-Bier betrogen. Frustriert zog ich meine Stirn in Falten. Mimikfalten sind für Männer, die auch in ihr Gesicht investieren, schließlich kein Problem mehr.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

4 Kommentare

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  • A
    alcibiades

    "Man sollte schon deshalb kein langes Gesicht machen, weil man dann mehr zu rasieren hat."

    Fernandel

     

    (wer den nicht mehr kennt, das war Don Camillo)

  • O
    Ottissimo

    @anke...

     

    ...meine Güte, welch ein ein ellenlanges Gelaber auf eine einfache Frage.

  • ML
    Matthias Lohre

    Wer sind Sie, "anke"?

  • A
    anke

    Woher wissen Sie das, Herr Lohre? Ich meine: Wer hat ihnen gesagt, dass es (je-)dem einigermaßen vernünftigen heterosexuellen Mann schwer fällt, seine Eitelkeit zuzugeben? Und woher kannte dieser Welcher den einigermaßen vernünftigen heterosexuellen Mann schlechthin? Hat er ihn auf der Straße getroffen oder ist er ihm in der Kneipe begegnet? In der U-Bahn? Vor der Kfz-Werkstatt? Beim Fußball? Im Baumarkt?

     

    Wer sich für vernünftig hält, der investiert in Dinge, die Gewinn versprechen. Angenommen, jemand hat das Talent, schnell zu laufen. Er wird, wenn er im landläufigen Sinn vernünftig ist, in seine Beine investieren, auf dass sie ihm eines Tages Ruhm, Ehre und Geld einbringen mögen. Einer hingegen, der ein besonderes Talent für Zahlen hat, wird seine Kraft und seine Zeit eher der Mathematik widmen, vorausgesetzt natürlich, er ist das, was die Leute vernünftig nennen. Und wieder ein anderer, einer, der von frühester Jugend an traumwandlerisch sicher mit Farben und Formen umzugehen weiß, der wird in Kunst machen. Jedenfalls dann, wenn er genug Vernunft dafür besitzt. Warum in aller Welt sollte also ein George Clooney in einer haarigen Nase bohren? Ich meine: Der Mann gilt doch nicht nur als schön, man hält ihn auch für vernünftig!

     

    Wenn Sie, sehr geehrter Herr Lohre, ihre größte Gabe darin sehen, ansprechend auszuschauen, ist es wahrscheinlich für weit mehr als 90% aller Menschen auf diesem Globus vollkommen logisch, wenn sie ihre Eitelkeit pflegen. Irgendwer wird sie schon lieben dafür. Jemand, dem es nicht so wichtig ist, wie schnell Sie die 100 Meter laufen oder ob sie die Primzahlen bis eine Million auswendig hersagen können. Jemand, dem Schönheit über alles geht. Und sehr wahrscheinlich wird das ein Mensch sein, der selbst über keine anderen Qualitäten verfügt und der sie genau deswegen ebenso gut verstehen kann wie sie sich selbst. Besser jedenfalls, als jeder anderweitig begabte Freund.

     

    Nein, Sie müssen sich nicht grämen. Die Welt, schließlich, ist groß. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Sie ihre Traumfrau treffen. Und die wird ihnen, natürlich unter strengster Beachtung einschlägiger Schönheitsregeln, gewiss eine Reihe hübscher und vor allem eitler Bälger schenken, die reumütig über Ihrem Sarg heulen, wenn Sie irgendwann das Zeitliche segnen. Sie brauchen bloß aufzuhören, so aggressiv zu reagieren, wenn irgendwer Sie auf ihr Hobby anspricht. Sie sind doch vernünftig, oder? Ein großer, hübscher Junge mit Verstand. Also bitte: Bleiben Sie locker, dann wird das schon. Und wenn noch mal einer Ihrer Freunde Sie um einen O-Ton bittet, reden Sie einfach frei von der Seele weg. Sie werden sehen: Die Welt wird sie lieben dafür. Ich meine: Ihre Welt. Und dann? Dann gehen Sie an Ihren Kühlschrank, öffnen die Tür und nehmen sich ein Bier heraus. Zur Belohnung. So einfach kann das Leben sein. Wenn man vernünftig ist. Und Mann.