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Kolumne MännerTestosteron ist ein lustiges Hormon

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Männer machen Witze, weil sie müssen: Die Evolution hat es so gewollt.

Männer sind witziger als Frauen. Ich lasse diesen Satz einfach mal so stehen, damit Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sich kurz darüber aufregen können. Denn diese Behauptung ist natürlich zutreffend, aber stark verkürzt. Das weiß ja jedes Kind. Aber erklären Sie solche Feinheiten mal einem Experten.

Auf der Suche nach pseudowissenschaftlichem Blendwerk für eine Kolumne über "Männer und Humor" bin ich nämlich über eine Studie gestolpert. Professor Sam Shuster vom Norfolk and Norwich University Hospital will herausgefunden haben, dass Witz, Humor und Testosteronspiegel direkt miteinander zusammenhängen. Und zwar durch einen Test, bei dem er auf seinem Einrad durch Newcastle upon Tyne balancierte. Dabei - oder danach? - hat er aufgezeichnet, wie rund 400 Menschen auf ihn reagierten. Selbst diese bizarre Versuchsanordnung konnte nicht verhindern, dass das Ergebnis so ausfiel, wie ich es längst erwartet hatte: Männer machen mehr Witze als Frauen, und je jünger die Männer sind, desto aggressiver sind ihre Bemerkungen.

Bild: taz

Matthias Lohre ist Parlamentskorrespondent der taz.

Pubertierende Jungs riefen Shuster Dinge zu wie: "Fall runter, Opa!" Shuster erklärte sich das damit, dass junge Männer ihn als Bedrohung sähen. Denn seine kleine Show könnte die Aufmerksamkeit von Frauen von ihnen fortlenken. Es spricht nicht gerade fürs Selbstvertrauen nordenglischer Jungmänner, dass sie glauben, sie könnten weniger Sex haben, weil auf der Straße ein emeritierter Arzt Einrad fährt. Ältere Herrschaften mit weniger Testosteron im Blut waren da souveräner. Ein alter Mann fragte schlicht: "Typ, quetscht dir das die Eier ein?"

Frauen hingegen tendierten zu beifälligen, zutiefst langweiligen Bemerkungen wie: "Clever, clever." Eine Mutter sagte zu ihrem etwa fünfjährigen Sohn: "Schau mal, warum fährt der da auf einem Rad?" Woher soll denn das arme Kind das wissen? Hingegen fragte ein drei- bis vierjähriger Junge: "Mama, der Mann hat sein Fahrrad kaputtgemacht: Es hat nur ein Rad." Im Unterhaltsamkeitswettstreit zwischen Müttern und dreijährigen Jungen steht es damit 1 zu 0 für die Kleinkinder.

Das männliche Sexualhormon gilt bekanntlich als schuld an so ziemlich allem: Krieg, Haarausfall und Rammstein. Weniger bekannt ist, dass einer seiner Seiteneffekte auch Witz und Humor sind. Schon Sigmund Freud unterschied die beiden Dinge genau: Witz ist eine gesellschaftlich akzeptierte Form, Aggressionen loszuwerden. Wer witzig ist, der buhlt um Aufmerksamkeit, der kämpft und will sich von anderen Männern abheben. Damit lassen sich ab und an Frauen beeindrucken. Hingegen macht der humorvolle Mensch nicht Scherze auf Kosten anderer, sondern über sich und seine Mängel. Das zeugt von Intelligenz und Empathie - und Unverständnis für die Verlogenheit der menschlichen Natur.

Das beweist schon das Ergebnis einer BBC-Befragung von mehr als 200.000 Internetnutzern. Die meisten Frauen gaben an, für sie sei die wichtigste Eigenschaft eines Mannes Humor. Das ist natürlich selbstbeweihräuchernder Unsinn. Denken Sie bloß an die Paare in ihrem Freundeskreis. Wem das nicht als Beweis genügt, dem sei gesagt, was laut derselben Studie Männer am meisten an Frauen schätzen: Intelligenz.

Es ist besser, dass Frauen seltener Witze machen als Männer. Auch ihr Östrogen richtet große Schäden an, beispielsweise Vampirfilme und Maria Furtwängler. Und es sorgt dafür, dass das für Pornografie erfundene Internet missbraucht wird, um auf YouTube millionenfach das zittrige Handyvideo eines niesenden Panda-Babys anzugucken. Da hört für mich der Spaß auf.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

1 Kommentar

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  • A
    A.R.

    Humor und Selbstironie können wiederum nach Zahavis Handycap-Prinzip implizierte Lobpreisungen der eigenen Genqualität sein - kuck mich an, meine Gene sind derartig gut, dass ich mir leisten, eigene Schwächen einzuräumen...

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Handicap-Prinzip