piwik no script img

Kolumne MännerDuck Tales

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

In der Single-Börse sind sie alle gleich. Ob Mann, ob Frau – beide Geschlechter glauben, dass sie besser aussehen, wenn sie ein "Duck Face" machen.

D ass ich der einzig vernünftige Mensch auf Erden bin, war mir schon länger klar. Zwar weiß das noch nicht jeder, denn ich gehe sehr souverän damit um. Nie würde ich jemandem mein Wissen aufzwingen. Aber wer mich danach fragt, dem teile ich meine ewigen Wahrheiten gern mit: Loriots Humor ist nicht zeitlos. Mutter Teresa wird überschätzt. Der Kapitalismus hat auch gute Seiten, beispielsweise "Choco Crossies". Und: Die Würde des Menschen ist sehr wohl antastbar. Auch und gerade die des Mannes.

Dafür brauchen die meisten Männer weder Krieg noch Folter. Publikum genügt. Zum Beispiel auf Flirtbörsen im Internet. Ich meldete mich, aus journalistischer Sorgfaltspflicht heraus, bei so einem Portal an. Entgegen meiner sexuellen Orientierung klickte ich mich durch das, was "DaFreshMaker" und "ElDictatore" der Frauenwelt von sich wissen lassen wollten. Ich fühlte mich, als säße ich in einer Toilettenkabine, während ein sich unbeobachtet wähnender Mann vorm Spiegel ruft: Du bist ein Tiger, Jens!

"berlinerlover" zeigte sich mit Weichzeichner, durchdringendem Blick und auf Samt gebettet. Ein anderer versuchte, durch eine nicht eingestöpselte E-Gitarre um seinen Hals zu beeindrucken. Im Ganzen aber war ich enttäuscht: Die meisten Männer zeigten sich nicht als aufgeblasene Volltrottel. Sondern als Typen, die auf ihr Aussehen achten, aber ihrer Freundin auch die Haare aus dem Gesicht halten, wenn sie kotzen muss. Hatte meine Erziehung, die maßgeblich aus dem Studium von "Eine schrecklich nette Familie" und den "Simpsons" bestand, mir etwa klischeehafte Geschlechterbilder eingepflanzt?

Bild: privat
Matthias Lohre

MATTHIAS LOHRE ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Ich schaute bei den Frauen-Profilen nach. Dort blickte ich in viele "Duck Faces". Als solches wird ein derzeit weit verbreiteter Gesichtsausdruck bezeichnet. Zu sehen sind überwiegend Mädchen und junge Frauen, die ihre Lippen aufwerfen und gleichzeitig die Mundwinkel kokett straffen. Das hat das Ziel, vollere Lippen und ausgeprägtere Wangenknochen zu simulieren, führt aber meist nur dazu, dass die jungen Damen aussehen wie die Leipziger "Tatort"-Kommissarin Simone Thomalla. Und das kann nun wirklich niemand wollen.

Zurück bei den Männerfotos, sah ich genauer hin - und blickte in jede Menge Duck Faces. In der maskulinen Variante erinnern sie an Ben Stiller in der Titelrolle des Films "Zoolander". Falls Sie den Film nicht kennen und den Gedanken ertragen: Stellen Sie sich Simone Thomalla als männliches Model vor.

Die Entenschnute kombinieren Männer bevorzugt mit einer Hand am Kinn, auch als Autorenfotopose bekannt: Sein Kopf ist vor lauter Denken so schwer geworden, dass er ihn festhält. Ihm ist, als ob es tausend Gedanken gäbe, und hinter tausend Gedanken keine Welt.

Ich stellte mir vor, wie die Schnäuzelchen einander kennenlernen, gemeinsam Duck-Face-Fotos knipsen und Entenschnutenkinder großziehen. Chief Wiggum von den "Simpsons" hatte doch recht, als sich seine Krawatte in Apus Würstchenwende-Maschine verfing: "Jetzt wird es erst mal schlimmer, bevor es besser wird."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • B
    babam

    diese männer zeigen sich vielleicht nicht als volltrottel... aber ob sie deshalb keine sind? ;) sehr guter artikel, wie ich finde.

  • C
    christin

    Ich lese ab und an genüsslich Ihre Kolumnen über Männer und muss zugeben: sie stellen ein angenehmes Pendant zur "Politik" dar :-)

    Tja, wenn mehr Männer und Frauen sich mal trauen würden jemanden anzusprechen, einfach ohne Hintergedanken flirten, weil es unglaublich Spaß macht mit Menschen in Kontakt zu kommen - und ich meine jetzt keine plumpe Anmache - man sich noch dazu ein gutes Gefühl dabei geben kann, dann bräuchte man keine Partnerbörsen, denn dann würde sich aus dem ein oder anderem Flirt vielleicht auch mal mehr ergeben...Ich finde, das hat auch viel mit einer allgemeinen Einstellung zu Männern und Frauen,zu Kommunikation usw. zu tun.

    Aber man kann ja jeden Tag damit beginnen, in diesem Sinne: Frohes Fest!