Kolumne Männer: Taxi Driver
Wir jüngeren Männer sind auf Kompromisse mit Frauen gedrillt. Aber was tun wir, wenn es hart auf hart kommt?
E s ging ihm nicht gut, das sah ich. Sein suchender Blick hatte nicht damit zu tun, dass wir uns in Baumärkten nicht sonderlich heimisch fühlten. Zwischen Exzenterschleifern und Trittschalldämmungen kauften wir Wandfarbe für seinen bevorstehenden Umzug. Der war sein Problem. Genauer gesagt: seine Freundin.
Die beiden führen, soweit ich das erkennen kann, seit vielen Jahren eine normale, glückliche Beziehung. Jedenfalls war das mein Eindruck. Aber wenn mal wieder ein Amokläufer Menschen zerfleischt, findet sich ja auch stets ein Nachbar, der in eine TV-Kamera sagt: "Der war immer so normal. Dass der dann nackt mit einem Samuraischwert in den Kaisers rennt: also nee, ne."
Mein vollständig bekleideter Freund zog mit seiner Freundin zusammen. Während wir Wandfarbe "Flamingo" in den Einkaufswagen hievten, erzählte er mir seine Sorgen. "Eigentlich ist alles gut. Coole Frau, coole Altbauwohnung und so."
Matthias Lohre ist Parlamentsredakteur der taz.
"Aber?"
"Aber … Na ja. Wir Akademiker-Männer Mitte 30 versuchen doch dauernd, es Frauen recht zu machen. Bloß kein Macho sein, zuhören, aber gutes Geld verdienen und ins Fitnessstudio gehen."
"Ich bin da anders", sagte ich. "Ich verdiene viel zu wenig."
"Mann, hör doch mal zu. Meine Freundin will …" Seine Stimme stockte. "Sie will unser Wohnzimmer in Schwammtechnik anmalen! Pfirsichfarben! In Schwammtechnik!" Ich überlegte, ob Baumärkte Samurai-Schwerter führen.
"Ich verstehe nicht ganz", sagte ich.
"Na, wie sage ich meiner Freundin: bis hierher und nicht weiter?" Wir riefen ein Taxi, das uns zu seiner alten, renovierungsbedürftigen Wohnung bringen sollte. Als das Auto hielt, stieg ein etwa 50-jähriger Mann aus und öffnete den Kofferraum. Er trug einen beigen Rollkragenpullover, das untere Ende steckte er sich wie ein Hemd in die Jeans. Der Taxifahrer sah Schwämme und Farbe und sagte: "Oh, Schwammtechnik. Na ja, erlaubt ist, was beiden Spaß macht" und zwinkerte uns zu.
Wir fuhren los. Weil mein Freund betreten schwieg, fragte ich den Fahrer: "Wie lange machen Sie den Job schon?" Er: "Seit 1986. Reich wird man da nich."
"Aber macht es denn Spaß?"
Er musterte mich durch den Rückspiegel und schien mich als würdig zu erachten für das, was er dann sagte. "Hab viele fremde Wohnungen gesehen. Von Frauen, auf Nachtschicht. Eine hat mal vor mir nen Striptease gemacht."
"Wie ist das denn passiert?", fragte ich.
"Ich habe ihr einfach gesagt, was ich will."
Mein Freund beugte sich vor zum Fahrer. "Und was würden Sie tun, wenn Sie keine Lust auf Schwammtechnik im Wohnzimmer haben?"
"Dann würde ich sagen: ,Schätzken, verbesser doch erst mal deine Schwammtechnik in der Küche." Der Taxifahrer gurgelte ein zufriedenes Lachen.
Mein Freund flüsterte mir hektisch zu: "Scheiße, wir sind gleich da. Musst du nicht noch irgendwo hingefahren werden? Ich hab da noch ein paar Fragen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen