Kolumne Männer: Bad Boys
Männer sind angeblich egoistisch und machen, was sie wollen. In Wahrheit tun sie es viel zu selten.
D ie Pubertät birgt viele Schrecken. Haare wachsen dort, wo man sie nie vermisst hat. Andere Haare wuchern auf eine Art, die einen noch Jahrzehnte später wünschen lassen, man möge doch endlich mal den uralten Führerschein inklusive Foto verlieren. Und Mädchen sagen Sätze, die halbwüchsige Jungen in Panik versetzen. Zu ihnen zählen das rätselhafte "Ich mag dich", das noch rätselhaftere "Ich mag dich echt" sowie die Aufforderung: "Sei doch mal spontan!"
Spontan möge ich sein, riefen mir die kichernden Mädels vom Nachbargymnasium zu, und ihnen was zu trinken holen. "Sei doch mal spontan!", sagte eine andere und riet mir, meine langen Haare abzuschneiden. Zwar muss ich zugeben: Wäre ich letzterer Aufforderung gefolgt, müsste ich heute keine Führerscheinkontrollen fürchten. Aber beide Beispiele zeigen auf, unter welchen Prägungen nicht nur pubertierende Jungs leiden, sondern auch scheinbar erwachsene Männer.
Die Aufforderung zur Spontaneität ist im Kern so unsinnig wie die, jetzt auf keinen Fall an einen rosa Elefanten zu denken. Dahinter steckt aber vielfach ein Mechanismus, der männliche Wesen stresst: Noch immer werden viele Jungs dazu erzogen, an sie gerichteten Erwartungen zu entsprechen und sich darüber nicht zu beklagen. Die Erfüllung aller an sie gerichteter Anforderungen verwechseln sie dann mit Erfolg oder gar mit Glück.
Was sie aber selbst wollen, wissen Männer oft nicht. Sie hören ja ohnehin ständig, sie seien das strukturell noch immer bevorteilte Geschlecht. Wunschäußerungen wirken da schnell anmaßend. Ich jedenfalls kam als Teenie leider nie auf die Idee, einem Mädchen zu sagen: "Sei doch mal spontan und küss mich."
Woher kommt bei Männern die starke Orientierung an Wünschen anderer? Kinder- und Jugendpsychologen erklären seit Jahren, wie verbreitet eine übermäßige Fixierung von Jungs auf ihre Mutter ist. Diese entsteht, wenn eine männliche Bezugsperson, meist der Vater, als Gegengewicht und Ausgleich ausfällt.
ist Parlamentskorrespondent der taz.
Der vermutete Wunsch von Bezugspersonen wird bei vielen Männern zur lebenslangen Richtschnur. Die einen flüchten sich in die scheinrebellische Pose des Machos, der sich immer wieder beweisen muss, wie unabhängig er doch von Frauen ist. Die anderen suchen ihr Heil in der emotionalen Abhängigkeit von einer Ersatzmtter: ihrem Job, ihrer Religion, im Extremfall vom FC Bayern München. Oder natürlich von ihrer Partnerin.
Das schadet nicht nur Männern. Eine Zeit lang mögen viele Frauen es, wenn ihr Partner ihnen im Wortsinne die Wünsche von den Augen abliest. Aber das wird auf Dauer langweilig, wie Meisterschaftstitel des FC Bayern. Abwechslung muss her: ein Mann, an dem sie sich reiben kann, und das nicht nur, aber auch im wörtlichen Sinn.
Ein Mann, mit dem das geht, muss seine eigenen Bedürfnisse kennen und vertreten, und davon gibt es zu wenige. Und es braucht eine ebenfalls charakterlich gefestigte Frau, die die Andersartigkeit ihres Partners nicht wegzuschleifen versucht. Spontan sag ich mal: So eine reife Beziehung kann ich auch führen. Haben mir Freunde gesagt.
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