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Kolumne LustobjekteWink mit dem Tannenbaum

Produkte müssen sexy sein, klar. Wenn es nach meinen Mails geht, gilt das jetzt selbst für Christbaumkugeln – dabei ist Weihnachten doch eher ein Fest der Puschen als der Push-ups.

I n letzter Zeit bekomme ich E-Mails mit zweifelhaften Angeboten. Der Betreff lautet wahlweise "Neue sexy Weihnachtskollektion, shoppen Sie jetzt online!", "Rot-Schwarz unterm Weihnachtsbaum!" oder "Sinnliches für die Feiertage!". Da mein Geist zwar willig ist, sich dem Konsumterror zu entziehen, mein Fleisch aber zu schwach, klickte ich auf den Onlinekatalog einer bekannten Unterwäschemarke. Und das Fest der Liebe bekam eine völlig neue Bedeutung.

Auf meinem Bildschirm erschien ein Füllhorn an Zweideutigkeiten, ein Geschenk des Teufels, ein Wink mit dem Tannenbaum: Auf dem ersten Foto nascht eine Frau, nachlässig in rotseidene Dessous und halterlose Strümpfe gekleidet, Erdbeeren mit Schokosoße.

Eine Seite weiter ist die Blonde gerade im Begriff, ihren BH zu öffnen. Auf ihrem durchsichtigen Höschen prangt an prominenter Stelle der Schriftzug "Santa", daneben der Slogan "frech oder brav?". Ja, scheint sie zu rufen, ich sehe zwar sexy aus, aber immerhin trage ich rote Wäsche. Da drückt der Nikolaus bestimmt ein Auge zu. Und wenn das Geschenk nur ein Schlag mit der Rute auf meinen Allerwertesten ist, bin ich auch zufrieden.

Dann ist da noch das Bild, auf dem die Frau offensichtlich beim Schmücken des Weihnachtsbaums gestört wurde. Im Push-up-BH. In den Händen hält sie zärtlich eine Weihnachtsbaumspitze, wahrscheinlich mundgeblasen. Was mich prompt an eine dieser Weihnachtskarten erinnert, auf der ein Nikolaus mit heruntergelassener Hose eindeutige Dinge tut, darüber der Spruch: "Santa Claus is coming". Hohoho.

Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Ich mag hübsche Unterwäsche. Aber an Weihnachten trage ich meistens etwas mehr als ein neckisches Lächeln, es ist ja schließlich Winter. Abgesehen von den Heizkosten wären vermutlich auch meine Eltern ein wenig irritiert, wenn ich halbnackt und auf hohen Schuhen die Geschenke verteilte.

privat

Franziska Seyboldt ist Redakteurin bei taz-Online.

Als ich noch ein Kind war, ging es an Weihnachten um Familie, Kirche, Plätzchen und, natürlich, Geschenke. Jetzt, wo ich erwachsen bin, reicht nicht mehr, dass der Tannenbaum glitzert wie ein Swarovski-Kristall, nein, auch ich soll glitzern. Auch Weihnachten soll sexy sein.

Das wirft Fragen auf: Werde auch ich eines Tages die Feiertage in Spitze und Tand verbringen? Will ich das überhaupt? Was trägt der Weihnachtsmann eigentlich drunter? Und was sagt es uns, dass das eigentlich niemand wissen will?

Da ich kein befriedigendes Fazit habe (konsumieren? verweigern?), schlage ich Ihnen einen Deal vor: Sie dürfen abstimmen, wie ich Weihnachten verbringe.

1. Ganz normal angezogen bei meinen Eltern.

2. In Unterwäsche mit dem Leser, der am meisten bietet (und der die Kosten für die sündhaft teuren Dessous übernimmt).

3. In Unterwäsche bei meinen Eltern, inklusive Videoübertragung (wer hierfür votet, zahlt die Heizkostenabrechnung).

Vielleicht zeigt die Statistik, ob Weihnachten noch das Fest der Puschen oder schon das Fest der Push-ups ist. Ihre Stimmen schicken Sie mir bitte auf dem Postweg. Auf E-Mails hab ich irgendwie keine Lust mehr.

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taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

2 Kommentare

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  • HD
    Holla die Waldfee

    Ich finde diesen Beitrag seltsam. Was soll daran auszusetzen sein, dass die ewige Konsumkeule mit dem Slogan: - sex sells - auch von der Weihnachtsindustrie angewendet wird. Schließlich haben alle Unternehmer_innen ein Interesse daran, ihre Waren besonders auffällig zu positionieren. Das der Weihnachtsmann nicht für alle dabei immer dem CocaCola Ideal vom fetten Mann im roten Pelz entspechen muss, und Weihnachten nicht immer ein Fest von dicker Wolle, Pelzmänteln und Rollkragenpullovern für alle Teilnehmer_innen ist, sollte einleuchten.

     

    Ich glaube hier wird versucht an ein kindliches und pseudoromantisches Bild festzuhalten, dass aus dem Hause Disney oder der biederen Großfamilie stammt, wo zu Weihnachten besonders auf die unbefleckte Empfängnis von Maria hinzuweisen ist.

     

    Viele Menschen sehnen sich nach ihrer Pupertät zurück nach einem Stück heiler Welt ohne ein veruchtes und konsumgeiles Szenario - verständlich. Die Wahrheit ist aber wenig moralisch und auch wenig bis zum Halse zugeknöpft: Das Weihhnachtsgeschäft ist ein brutaler Markt, bei dem schon nicht erst seit dem E-Mails erfunden wurden mit allen Mitteln um den Kunden gekämpft wurde und hierzu gehört, wie es schon für den Automarkt, Bluejeans und Eiscreme schon Generationen praktiziert wurde, das Argument körperlicher Begierden.

     

    Das es nun die Autorin wundert und stört, dass sie persönlich aufgefordert ist, sich dem Konsum der Weihnacht auch dem Konsum von Sex als gemeinsame Verknüpfung zu den Produkten unterm Weihnachtsbaum hinzugeben, erscheint mir künstlich moralisierend. Das folgt irgendwie der "früher war alles besser" Logik.

     

    Weihnachten ist auch Interpretation und viele, gerade junge Menschen, sehen hierin oft nur noch eine Reihe von Konsumexessen, Fressattacken und Saufgelagere und das auf Kosten von ausgebeuteten Familien in Niedriglohnländern und der Umwelt. Ich finde hier wäre eine moralische Frage zu stellen gewesen und nicht ob es sich zur Weihnachtszeit ziemt,nach Santas unterwäsche zu fragen.

     

    Mir scheint die Autorin hat einfach noch nie zu Weihnachten ein amouröses Geschenk bekommen - Schade.

     

    In diesem Sinne - sexy Weihnachten - wünscht

    Holla die Waldfee

  • K
    Kate

    Wieder ein sehr schöner Beitrag. Ich finde übrigens das Konsum-bestimmte Weihnachten braucht jetzt zu jedem Advent eine Seyboldtsche Sicht der Dinge!