piwik no script img

Kolumne KriegsreporterinEs dampft der Tee, der Vater pustet

Kolumne
von Silke Burmester

Buchmesse, Bim-Bam, Brüste, DuMont, Potenz, Schwurbel.

H allo taz-Medienredaktion! Auch ich möchte anlässlich der Frankfurter Buchmesse mich mit meinem heutigen Beitrag der Literatur zuwenden: Jener großen Kunstform, ohne die das Abendland nicht das Abendland wäre und Goethe nur ein spinnerter Naturwissenschaftler, der mit der Sehhilfe Spektralfarben an die Wand wirft. Natürlich werde ich meiner Mission treu bleiben und ein Buch betrachten, das eine Relevanz für die Medienwelt aufweist. Eines, auf das die Medienwelt ihr Zielfernrohr richtet, um genau zu sein. Ein Buch, von dem man sich Aufklärung in einer der verworrensten Verwirrungsgeschichten des letzten Jahres erhofft, dem Vater-Sohn-Entmachtungs- und Realitätsverweigerungsdrama um Alfred Neven DuMont und seinen Spross Konstantin. "Vaters Rückkehr" heißt das Werk, das der 84-jährige Alfred dieser Tage veröffentlicht, und die Medienmeute liest jeden Satz der 160 Seiten umfassenden Fibel, als besäße sie damit einen Zauberschlüssel, den sie nur in die Luft zu halten bräuchte, auf dass sich die Türen öffnen und der Blick frei werde auf das Kammerspiel, das sich im Hause DuMont abgespielt haben muss.

Doch das Leben im Hause DuMont ist keine Kurzgeschichte. Langsam, ganz langsam arbeitet der Autor von "Vaters Rückkehr" sich in das Geschehen hinein und gibt der Journalistenhorde zunächst die Möglichkeit, mit ihm, dem 84-Jährigen, noch einmal die Wonnen des Mannseins zu erleben. Oder dessen, was er seinem Anfang 40-jährigen Ich-Erzähler angedichtet hat. Bereits auf Seite zwei beschert uns die Fantasie des Schreibers eine nackte Ehefrau, die "mit einer kurzen Schürze bekleidet" am Herd steht. Wo auch sonst? Schließlich kocht sie Tee, wofür sich ein Herd ebenso wie eine Schürze empfiehlt. Der Ich-Erzähler, Ehemann der Teekocherin, pirscht sich von hinten an, bläst seinen "heißen Atem in ihr Ohr" und nimmt "in jede Hand eine ihrer Brüste". "Diese von mir vergötterten Brüste". Zum Glück hat sie nur zwei.

Es dampft der Tee, die Frau bleibt ungerührt, noch einmal wird der Atem ins Ohr gepustet, da endlich bricht sie "das Schweigen" mit den Worten: "Na, du kleiner Casanova!" Was wir Frauen für gewöhnlich so sagen, wenn wir so tun, als hätten wir das Jahr 1956 und rechneten damit, dass Peter Alexander jeden Augenblick aus der Kanne gesprungen kommt. Vom Casanova verzückt, dreht der alte Neven DuMont nun vollends auf und präsentiert ein Männerbild, das sich gewaschen hat: "Der Kuss, den ich mir nahm, versetzte mich in einen wohligen Taumel. Schon wollte er mich zu Boden gleiten lassen, als sie mich festhielt und in Richtung Schlafzimmer schob." Und als wäre das nicht genug, fährt DuMont fort: "In diesem Augenblick schlugen, laut und wohlklingend, die Glocken vom nahen Kirchturm." Auch beim Leser klingen nun die Glocken. So viel Bim-Bam! Schon auf der dritten Seite ist man völlig erledigt und neidet dem Ich-Erzähler sein Dämmerzustand, denn kurz nachdem der Ohrenpuster zu schnell gekommen ist, tritt die Erlösung ein: "Aufs Neue griff der Schlaf nach mir."

Bild: Eva Haberle
SILKE BURMESTER

berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.

Eine kluge Kollegin hat das zunehmende sprachliche Geschwurbel alter Schriftsteller mit der abnehmenden Potenz erklärt. Weils unten weniger wird, muss oben mehr gedreht werden. Vor diesem Gedrehe ist keiner sicher. Nicht einmal die armen Kinderlein können DuMonts Zugriff entkommen, der gern den Regenbogen retten möchte. "Weil Kinder ohne Regenbogen keine Kinder mehr sind." Lesen Sie nächste Woche Teil II der Sonderberichterstattung: Der Vater kommt, der Vater geht. Und noch ein heißer Kuss! Und damit zurück nach Berlin!

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!

2 Kommentare

 / 
  • RB
    Rainer Baumann

    Das Geschwätz alter Männer, jaja ...

  • P
    polyphem

    Aufgrund der Überschrift dachte ich, da kommt was von Theodor Storm. :-)

     

    http://www.zeno.org/Literatur/M/Storm,+Theodor/M%C3%A4rchen+und+Spukgeschichten/Bulemanns+Haus

     

    Vielleicht das Haus von Bullemann.

    Doch kam dann nur ein Pullermann

    (Auch reimt sich was auf Schimmelreiter,

    doch so geht das Gedicht nicht weiter)

     

    "(Dampf) - Wolke 80 +"

     

    Es dampft der Tee, der Vater pustet

    Die Nase tropft, die Lunge hustet.

     

    Am Fenster rinnt der Wasserdampf

    Als kalte Tropfen nieder

    Der Autor im Viagrakrampf

    Versucht sein Glück mal wieder.

     

    (als Spam-Schutzwort musste ich "Tee" eingeben. (sic!))