Kolumne Konversation: Die Balz geht schief
Verkupplungsversuche sind immer schwierig - vor allem wenn Mann und Frau sich nicht verstehen.
Hm", sagte ich und nickte. Denn: Nicken ist immer gut. Damit nämlich kann man Zustimmung ausdrücken. Oder, wenn man ein ernstes Gesicht macht, wie ich es tat, zeigen, dass man begriffen hat, worum es geht. In den meisten Fällen ist man also mit dem unverfänglichen Abnicken als kleine nonverbale Notlüge auf der sicheren Seite. Ich jedenfalls hatte kaum ein Wort verstanden und um drei Uhr morgens war es mir zudem noch herzlich egal. Um mich ging es schließlich nicht. Sondern um Hanno und Hilde und die Hoffnung, dass sie in diesem wummernden Club zueinander fänden.
Natalie Tenberg ist Redakteurin bei tazzwei.
Ich war nur Beiwerk, Mittler, ein Alibi. Hanno hatte nach seinem Umzug in die britische Hauptstadt plötzlich entdeckt, dass er - selbstverständlich immer schon - in Hilde verknallt war. Nur hatte er sich leider zuvor in dieser Angelegenheit so dezent verhalten, dass wir es an den vielen Abenden, an denen der freud- und freundinlose Hanno bei uns am Küchentisch saß, das nie auch nur vermutet hätten. Ja, uns sogar damals im tiefen Winter Sanktionen angedroht wurden, sollten wir auch nur den kleinsten Verkupplungsversuch starten, was wir aber wiederum überhaupt nicht vorhatten, weil wir durch die langjährige Beziehung blind gegenüber den Nöten der anderen geworden waren - wurde meinem Mann und mir jedenfalls von Hanno vorgeworfen.
Dann aber verbanden sich Hanno und Hilde auf Facebook. Sie kommentierte sein Foto, er fand gut, dass beim ihrem Test "Welches Land passt am besten zu mir?" Italien siegte. Sie gratulierte ihm zu Brasilien. Sie schickten einander nette Geplänkel und nun war Hanno wieder in Berlin aufgeschlagen. Offiziell, um uns zu besuchen, um ein paar Dinge in seiner untervermieteten Wohnung zu regeln, die günstige Ticket-Lage zu nutzen. Inoffiziell: zum Werben um die Hilde. Und ich sollte dabei helfen. Schrecklich.
Wäre es nicht zufällig zur gleichen Zeit Frühling geworden, Hanno hätte mich niemals an jenem Samstag aus dem Haus gelockt. Wie ich die beiden dort stehen sah, fand ich das ganze Unternehmen auch recht hoffnungslos. Offensichtlich, dass sie einander vorbeiredeten. Ein Problem, das angeblich nicht nur wir Menschen haben, sondern auch die vielen kleinen Vögel. Sie zwitschern einander instinktiv zu, doch bedingt durch Straßenlärm und Handyklingeln in völlig falschen Tonlagen. Die Amsel versteht die Amsel nicht mehr, hält sie gar für eine Meise. Die Balz geht schief, der Vogel bleibt einsam in seiner Baumkrone hängen. Das Nest leer.
Bei Hanno und Hilde lief es ähnlich. "Der ist mir viel zu redselig", erzählt sie am Telefon. "Und ich hatte keine Ahnung, was er gesagt hat! Die ganze Zeit, in einer Tour schwallte er auf mich ein." Körpersprache, über die ja auch angeblich so viel laufen soll, hilft auch nicht weiter, klebt man ängstlich mit dem Ohr am Mund dessen, der eigentlich das Gegenüber bilden soll. "Nee", findet Hilde. "Das war nichts." Irgendwann sei ich weg gewesen, von da an habe sich die Situation nur noch weiter verschlimmert. Nie wieder solle ich sie in so eine Lage bringen. Nie wieder.
Auch Hanno schien nicht zufrieden. "Das ganze schöne Bild, das ich von Hilde hatte. Total zerstört", sagte er nach dem Aufstehen mit heiserer Stimme und sah dabei selbst nicht gerade intakt aus. Eher noch trauriger als vorher. Er bräuchte eine Frau, mit der er reden könne. Mit Hilde sei das zu seiner Enttäuschung nicht möglich.
Hannos Verlust war an jenem Abend des anderen Chance. "Irgendwann habe ich mich verdrückt", sagt Hilde. Kaum war sie ein paar Schritte gelaufen, hatte sie am Kanal den Freund eines Kollegen getroffen, den sie kannte. "Eigentlich wollte ich das nächste Taxi nehmen." Sie hätten sich aber so angenehm unterhalten können, dass sie einfach nur an der Brücke blieben und erzählten. Die Nacht war lau, irgendwann fingen die Vögel an zu zwitschern, die Sonne sei aufgegangen und sie hätten sich für Donnerstag verabredet. "Ist es nicht", fragt Hilde, "etwas Besonderes, wenn man zufällig auf jemanden trifft, mit dem man sich so gut versteht?"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“