piwik no script img

Kolumne KonversationEine unschöne Begegnung

Kolumne
von Natalie Tenberg

Wer auf andere zugeht, der kann auch sich selbst dabei im Wege stehen.

F remdschämen ist eine feine Sache und geht beispielsweise so: Man liegt am Samstagabend auf dem Sofa, schaltet den Fernseher ein und sieht Thomas Gottschalk. Der geht gerade in seiner Sendung "Wetten, dass..?" einem internationalen Supermodel verbal an die Wäsche und schwupps, ist man peinlich berührt. "Oh, hättest du das nicht getan", denkt man und: "Bitte mach es nicht weiter." Selbstverständlich macht Gottschalk trotzdem weiter, das Gefühl wird schlimmer und schlimmer.

Bild: taz

Natalie Tenberg ist Redakteurin bei tazzwei.

Menschen müssen das Fremdschämen lieben, schließlich gibt es inzwischen zahlreiche Sendungen, die darauf spezialisiert sind, es hervorzurufen. Verständlich, schließlich lässt dieses Gefühl völlig vergessen, wie weitaus unangenehmer es sein kann, man selbst zu sein. Vor allem wenn gerade eine innere Stimme sagt: "Hör auf!" und man sie dennoch ignoriert.

Kürzlich, als ich mit einer Viererpackung Haushaltsrolle zur U-Bahn lief, traf ich F., einen angesehenen Journalisten aus dem Nachrichtenfach. Ich kannte ihn, weil er mir auf einer Veranstaltung ohne großes Aufhebens aus der Patsche half, indem er mir ein Diktiergerät gelieh. Ich fühlte mich in dem Moment schon doof, weil meins ihm gerade auf die Füße geplumpst war und nicht mehr funktionierte. "Oh, hallo F.!", sagte ich, "danke für deine Hilfe." Ich wusste sofort, dass dieses Gespräch ein bitteres Ende nehmen würde. Denn F. war anzusehen, dass er keine Ahnung hatte, wer ich war und was ich von ihm wollte. "Gern geschehen", sagte er. "Hör auf!", sagte meine innere Stimme. Die äußere redete unkontrolliert weiter. Vielleicht, dachte ich, könnte ich ihn ja noch irgendwie auf die Spur bringen, etwas sagen, was ihn an seinen Akt der Nächstenliebe erinnerte - und mich weniger wie eine quasselnde Irre erscheinen ließe.

"Ich habe mir ein zweites Diktiergerät gekauft, nur so zur Sicherheit", war alles, was mir spontan einfiel. Nicht wirklich aufschlussreich, und an F.s zusammengeschobenen Augenbrauen war zu sehen, dass er sich wirklich bemühte zu verstehen, weshalb ich ihm dankbar war. Aber es gelang ihm nicht. Zu unserer beider Qual. "Schön", sagte er, nickte ermunternd. "Na dann, freut mich", und hängte ein erlösendes "Tschüs!" daran. "Tschüs", sagte auch ich artig, klemmte die Haushaltsrolle fester unter meinen Arm und marschierte weiter, besessen von dem Gedanken, mich zum Affen gemacht zu haben. "Ein arroganter Schönling, dieser F.", versuchte ich mich zu trösten, doch das stimmte nicht. F. war den Umständen entsprechend freundlich gewesen. Leider.

Meinem Naturell gemäß hing mir diese Begegnung lange nach. Bis ich auf einer Veranstaltung F. wiedertraf. "Hallo", sagte ich, ohne mit meinem neuen Diktiergerät zu wedeln. "Hallo", antwortete er. Auf dem Podium redeten sich die Teilnehmer um Kopf und Kragen. "Hört auf!", dachte ich, und dabei ging es mir im Großen und Ganzen richtig blendend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • M
    mobai

    Wahrscheinlich liegt genau bei F. der Hase im Pfeffer. Wenn man sich nicht so verklemmen ließe, in einem wie auch immer gearteten fremden Weltbild, müsste man sich vielleicht auch gar nicht mehr fremd schämen.

    In F.'s Beispiel. Wenn man nicht in der Sackgasse säße, dass F. sich natürlich nicht erinnern kann, weil F. der XY von XYZ ist, dann würde man wahrscheinlich einfach sagen: "Sie haben mir neulich Ihr Diktiergerät geliehen, das war sehr freundlich!" und er würde vielleicht sagen: "Ach ja, das hatte ich ganz vergessen, das war doch selbstverständlich", oder: "Wer zum Teufel sind Sie?"

     

    Weil aber von fremder Seite bestimmt wird, wer wer ist und was was ist, sitzt man in einer fremden Welt, in der Gottschalk irgendeine Relevanz besitzt, anstatt einfach nur ein Vollidiot zu sein.

     

    Anders gesagt: Was gehn mich die anderen an?

     

    Oder so.

    xD

  • V
    vic

    ´morgen Frau Tenberg,

     

    gegen Gottschalk hilft nur "Nicht Einschalten", das aber nachhaltig.

    Was gegen F. hilft, weiß ich nicht. Vielleicht "Immer Locker Bleiben",

    das aber konsequent;)

    Schönen Tag noch,

    Gruß vic