Kolumne Knapp überm Boulevard: Verratene Verräter
Wollen Sie die politische Situation verstehen, die derzeit in Kärnten (das ist jenes "exterritoriale" Bundesland von Österreich, das als Haider-Land bekannt wurde) herrscht? Dann lesen Sie mal.
A lso da gibt es die FPÖ, das ist jene rechtsextreme Partei, die unter Jörg Haider unvorstellbare Wahlsiege einfuhr und es bis zur Regierungsbeteiligung brachte. Kurz danach kam es zu einer spektakulären Spaltung - einer weiteren in einer langen Reihe - und Haider gründete in einem Handstreich eine neue Partei, das BZÖ ("Bündnis Zukunft Österreich"), dessen hauptsächlicher Daseinsgrund darin bestand, unliebsame Parteigenossen loszuwerden.
Das ist die typische Geschichte dieser Rechten, die nicht zwischen Partei - also einer Organisation, die unterschiedliche Gruppierungen und Flügel vereint - und einheitlicher Sekte unterscheiden können. So war auch das BZÖ vor allem ein Verein der Freunde Jörg Haiders. Und das Erstaunlichste war, dass dieser Verein auch nach seinem Tod fortbestand - eine posthume Sekte gewissermaßen. Sie haben mit dem Toten sogar einen Wahlkampf erfolgreich bestritten. Nicht, dass es in anderen Parteien keine Flügelkämpfe gäbe, aber nirgendwo werden diese heutzutage so unerbittlich und mit solch weitreichenden Konsequenzen betrieben.
Es ist eine ständige Re-Sektisierung, um immer wieder extreme Bindungen, neue Gefolgschaften herzustellen. Kaum verbreitert sich so eine Gruppe, kommt es schon zu einer Spaltung - wie dieser Tage wieder. Die Kärntner Landesgruppe des BZÖ hat sich, im Gefolge des Hypo-Adria-Skandals, von ihrer Partei abgespalten und hat sich leicht ödipal mit der FPÖ, ihrer alten Mutterpartei, wiedervereint. "Verrat", rufen nun die verbliebenen BZÖler - also jene, die vor kurzem noch selbst die Verräter waren und heute die Verratenen sind.
Verrat ist das Kennzeichen von geschlossenen Gruppen. Nur dort, wo es unhaltbare Loyalitätsbindungen gibt, kann es zum Verrat kommen. Die Zahl der Verräter, ja sogar die Zuordnung, wer nun die Verräter und wer die Verratenen sind, lässt sich mittlerweile nicht mehr festlegen. Und das bei einer Gruppierung, die ihre Ehre - ganz im Sinne der SS - als Treue definiert! Das Merkwürdigste an diesen permanenten Spaltungen der Rechten ist aber, dass sie ausgerechnet jene ereilen, die ihre Politik als Bewahren verstehen. Dauernd beschwören sie ihre Tradition und werfen sich als Gralshüter von allem auf: von Heimat, Familie, Nation. Aber jede Spaltung bedeutet eine Neugründung. Jedes Mal muss die "Tradition", die "Heimat", die "Authentizität" neu hergestellt werden. Die einzige wirkliche Tradition der extremen Rechten ist die permanente Spaltung.
Und ihre viel beschworene Einheit, wie sieht sie nun aus, die Geschlossenheit des rechten Lagers? Also in Kärnten gibt es jetzt das BZÖ als Gesamtpartei, die davon abgespaltene Landesgruppe, die sich mit den Freiheitlichen nach einem CDU/CSU-Modell wiedervereinigt hat und nun unter dem Namen "Freiheitliche in Kärnten" (FPK), im Volksmund aber FIK genannt, firmiert. Neben dem FIK gibt es aber auch noch die FPÖ Kärnten, die sich mit dieser Splittergruppe nicht vereint, die sich also von der Abspaltung abspaltet. Müssen wir das verstehen? Nein, das müssen wir nicht.
Wollen Sie mir jetzt sagen, Österreich sei ein Operettenland? Die harmoniesüchtige Operette scheint aber nicht ganz das richtige Modell. Denn diese Gruppen hassen sich bis aufs Blut. Sie haben ihre Feindpolitik - gegen die Fremden, gegen die Anderen, gegen die Oberen - völlig verinnerlicht. Das funktioniert wie ein Bumerang, der ihnen ihre Botschaft zurückbringt. Wenn Sie nun fragen, was unterscheidet die eigentlich, mit freiem Auge lässt sich das doch nicht ausmachen! Dann verweise ich Sie auf "Das Leben des Brian", wo die kleinen Grüppchen sich nur noch gegenseitig bekämpfen: "Die Einzigen, die wir noch mehr hassen als die Römer", sagt der Anführer der Volksfront von Judäa, "sind die von der scheiß Judäischen Volksfront." Ein Monthy-Python-Land also. Nur - das Lachen bleibt einem im Hals stecken, wenn man bedenkt, dass rund ein Drittel der Österreicher die Volksfront von Judäa wählen. Oder die Judäische Volksfront.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann