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Kolumne KlatschBlauarsch auf Außenposten

Botschafter sind eine vom Aussterben bedrohte Berufsgruppe. Nur wissen sie es noch nicht.

Unter allen Traumberufen dieser Welt scheint mir der Job des isländischen Botschafters in Äquatorial-Guinea der verlockendste zu sein. Er steht an jedem Morgen auf, die Sonne scheint, er schaut nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse seiner Residenz in den Terminkalender und stellt zufrieden fest, dass auch heute wieder kein Eintrag zu finden ist. Dann liest er die Zeitungen des Landes und sendet einen kurzen Bericht über die politische Lage in Guinea nach Reykjavik. Vielleicht gibt der Botschafter von Norwegen am Abend noch eine kleine Stehparty, oder der chinesische Botschafter bittet zum Empfang anlässlich seiner Verabschiedung. Dann ist der Tag gelaufen, und seine Exzellenz fallen erschöpft ins Bett.

Bild: privat

Philipp Maußhardt (49) ist Mitglied der Reportage-Agentur "Zeitenspiegel" und hat große Angst davor, seine Leser zu langweilen oder einzuschläfern. Darum klatscht er beim Schreiben oftmals laut in die Hände in der Hoffnung, dass sie es beim Lesen hören.

Für seine Arbeit wird er fürstlich bezahlt. Er hat einen Fahrer, Hausangestellte, eine vom Feinsten ausgestattete Residenz mit Swimmingpool, seine Ehefrau ist im Vorstand des örtlichen Golfklubs, und seine Kinder gehen in die "internationale Schule".

Nicht viel anders sieht das mit den Vertretern anderer Staaten aus: Selbst die Botschafter sogenannter wichtiger Staaten sind unwichtig geworden. Das diplomatische Corps der Vereinigten Staaten beschäftigt sich beispielsweise in der Hauptsache damit, seine Mauern gegen Panzerfäuste und Selbstmordattentäter zu verstärken, Rammschutz für die Eingangstore zu konzipieren oder schusssichere Fenster einbauen zu lassen. Das amerikanische Botschaftspersonal ist dermaßen mit sich selbst beschäftigt, dass für echte Diplomatie gar keine Zeit mehr bleibt. Die findet woanders statt, in der UNO, bei Weltklimakonferenzen oder ganz banal am Telefon zwischen Ministern zweier Länder.

Botschafter sind eine vom Aussterben bedrohte Berufsgruppe, nur wissen sie es noch nicht. Irgendwann wird jemand kommen und den Steuerzahlern dieser Welt vorrechnen, was die ständigen Vertretungen im Ausland kosten und jemand wird fragen, warum jedes Land der Europäischen Union außerhalb Europas seine eigene Botschaft benötigt. Man wird erschrecken über diese Frage und noch mehr über die Antwort. Wie viele Milliarden da eingespart werden könnten, wäre wirklich einmal interessant zu wissen. Das von den Parteien im Bundestag da noch keiner drauf gekommen ist, liegt allein daran, dass sie die Botschaften ganz dringend benötigen, um in Berlin abgehalfterte Politiker komfortabel aufs Abstellgleise zu entsorgen. Da sind die Grünen nicht besser als die Union oder die FDP.

Der deutsche Auswärtige Dienst hat sich dabei über all die Jahre noch als Biotop für den deutschen Adel gehalten. In keiner anderen Branche ist die Blaublüterquote so hoch wie unter den Botschaftsangehörigen. "Blauärsche" werden sie von den Hausmeistern und niederen Dienstgraden oft genannt.

Sie gehen "auf Posten", sagen die Botschafter noch heute im internen Sprachgebrauch, wenn sie ihren Dienst in einem neuen Land antreten. Eine altmodische Wortwahl, die wie Außenposten oder Vorposten nach Gefahr und Abenteuer klingt. So muss es vielleicht auch einmal gewesen sein, als die Botschaft noch tatsächlich eine Botschaft war. Heute ist sie meist nur noch ein besserer Partyservice oder eine Visa-Ausstellungsbehörde. Wirklich wichtige Entscheidungen, außer vielleicht der Frage, ob man mit seinen diplomatischen Kollegen Dienstag- oder Donnerstagnachmittag zum Golfspielen geht, hat keiner ihrer Chefs mehr zu treffen.

Umso erstaunter war ich, als ich vor kurzem dem deutschen Botschafter in Kenia begegnete. Der Mann hatte einen Dreitagebart, die Haare waren zum Pferdeschwanz zusammengebunden, und er trug ein weißes T-Shirt. Erst dachte ich, der Typ sei ein abgebrannter Tourist, der bei der Botschaft um einen kleinen Kredit bettelt, um seine Heimreise bezahlen zu können. Als Peter Lindner, so hieß der Mann, sich vorstellte und dann auch noch seine Elektrogitarre auspackte und im Botschaftsgarten ein Rockkonzert gab, brach in mir eine kleine Welt zusammen, und ich dachte: Vielleicht ist der "Auswärtige Dienst" doch noch zu retten.

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1 Kommentar

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  • ML
    maren lauk

    Oh Mann, ausgerechnet einer meiner Lieblingsschreiberlinge in der taz muss einen solchen Scheiß verzapfen.

     

    Lieber Herr Maußhardt, Ihre Kolumne über den Diplomatischen Dienst strotzt vor billigem Klischee, dass es der taz wirklich nicht würdig ist- Klatsch Kolumne hin oder her.

    Ich war lange Zeit „mitausreisende Ehefrau“, bin das nun nicht mehr, ärgere mich aber bodenlos über Ihre Ignoranz.

    Gefährdet ist die Spezies des hoch (aus-)gebildeten Diplomaten auch deswegen, weil es immer mehr Politiker und Ministerien gibt, die sich au diesem Feld profilieren wollen- warten wir nur den nächsten Wahlkampf der jetzigen Kanzlerin ab, in welchem Ausmaß sie mit ihren Auslandsreisen wuchert und sehen wir nur, wie generös sie die Bedenken des AM hinsichtlich ihres Treffens mit dem Dalai Lama in den Wind schlug. Blöd nur, dass in Folge niemand mehr mitbekam, wie Diplomaten vor Ort den Karren wieder aus dem Dreck gezogen haben; Mitarbeiter „auf Posten“, die die Republik im Ausland vertreten- und das heißt ein Land zu vertreten, das in vielen anderen Ländern eine herausragende Reputation hat: Leistung, Technik, Innovation, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und sonstige hier oft genug verpönte Eigenschaften machen „uns“ im Ausland aus. Das heißt, die Assoziationen, die andere Bevölkerungen haben, wenn sie „Deutschland“ hören, sind zumeist positiv und da ist es schlicht auch eine Frage der politischen Klugheit, das auch nach außen darzustellen, zu „repräsentieren“. Auf Posten heißt, „Außenposten“ zu sein, erste Anlaufstelle und der erste direkte Eindruck prägt- für die Bereitschaft, Deutschland als Tourist zu besuchen oder auch Geschäftsbeziehungen aufzunehmen.

     

    „Internationale Schulen“ sind keine Luxusetablissements sondern wichtige Begegnungsstätten und nicht zuletzt für die mit ausreisenden Kinder der Amtsmitarbeiter unerlässlich. Auf die Belastungen, denen die Familien ausgesetzt sind, gehe ich jetzt gar nicht ein. Ich fürchte, die allgemeine Ignoranz zu diesem Aspekt zu mildern dauert zu lange.

     

    Viele Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes wissen mitnichten, dass ihr Berufsstand „vom Aussterben bedroht“ ist, wie sie es nennen und es gibt durchaus Überlegungen, Vertretungen mit denen anderer europäischer Länder zusammenzulegen, um Kosten zu sparen. Da müssen aber eben auch andere Länder mitziehen und das ist nicht nur eine Frage des „good will“ sondern erfordert eine lange Planung.

     

    Wenn es einen Arbeitgeber gibt, der im besten Sinne das derzeitige Geschrei nach mehr Bildung und Chancengleichheit umsetzen hilft, ist es der Auswärtige Dienst. Die Von und Zu’s müssen Ihre Eignung ebenso in mehrtägigen Auswahlverfahren unter Beweis stellen wie jeder andere auch, nachdem sie alle ihre akademische Ausbildung abgeschlossen haben. Das Amt interessiert sich da überhaupt nicht für die Herkunft- nur die Bildung zählt und die Bereitschaft, sich auf ds Nomadenleben einzulassen.

    Am Schärfsten finde ich allerdings Ihre abstruse Wendung am Schluß: soll es uns wirklich freuen, von einem Botschafter repräsentiert zu werden, der aussieht wie ein abgebrannter Tourist und sich dadurch hervortut, dass er Klampfe spielen kann? Sind dessen Einladungen akzeptabler, weil es Partys sind und keine Empfänge?

    Informationen müssen fließen, Herr Maußhardt, egal ob mit oder ohne Mucke. Die Gäste des Gastlandes sollen sich wohlfühlen in der deutschen Repräsentanz, Kontakte müssen aufgebaut und gepflegt werden, damit später Missverständnisse, verursacht von unbelehrbaren Politikern, glattgezogen werden können, damit politische und wirtschaftliche Beziehungen nicht allzu lange leiden. Diplomatie hat auch viel mit Diskretion zu tun und zeichnet sich ganz sicher nicht durch große Handlungsvollmacht aus- das verkauft sich nicht ganz so gut, mag ja sein. Als Zeitungsleserin wünschte ich mir allerdings, dass Journalisten klarer sehen und nicht das hohe Klagelied des Steuerzahlers mit drei Standardakkorden unterlegen.

    Mir fielen als Steuerzahlerin andere Haushaltsposten ein, die wirklich vergeudetes Geld bedeuten.

     

    Ich fände es angebracht, sich durchaus differenzierter mit dem Sujet auseinanderzusetzen, bevor man seine Zeilen publiziert.

    Ansonsten gilt, vielleicht doch mal besser Klappe halten, ehe billige Klischees nur reproduziert werden.

     

    Wirklich verärgert, aber dennoch mit den besten Grüßen,

    Maren Lauk