Kolumne Hier spricht Brasilien: Was wirklich interessiert

Während im Fernsehen in Brasilien andauernd Fußball läuft, geht draußen die Welt weiter. Es lohnt sich, da genauer hinzusehen.

Viele LehrerInnen (hier im Mai 2014) in Rio de Janeiro streiken immer noch, sie sind von Entlassung bedroht, das ist Teil der Repression. Bild: ap

Ich schaue mir keine Spiele an, bin überhaupt nicht in WM-Stimmung. Die Wahl im Oktober beschäftigt mich viel mehr, und auch die sozialen Bewegungen, die derzeit heftiger Repression ausgesetzt sind. Auch die vielen Streiks interessieren mich: Kein einziges Museum, das dem Bund untersteht, ist geöffnet, da die Mitarbeiter seit Wochen im Ausstand sind.

Viele Lehrer in Rio de Janeiro streiken immer noch, sie sind von Entlassung bedroht, das ist Teil der Repression. Und jenseits Brasiliens: Kriege, Kinder leiden, Frauen werden in Syrien vergewaltigt. Es gibt viele Gründe, sich nicht dem Fifa-Spektakel anzuschließen.

Warum sitze ich hier in einer Kneipe vorm Fernseher? Weil ich gerade Freizeit habe und mit Freunden zusammen sein will. Wenn WM ist und Brasilien spielt, steht das Leben still. Also entweder du gehst auf eine Demo oder du triffst Freunde – in einer Kneipe, wo das Spiel läuft.

Was mich besonders ärgert an der WM, ist, wie die Politik diese Zeit, in der viele durch den Fußball abgelenkt sind, nutzt, um fragwürdige Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel Abtreibung: In Kürze wird darüber abgestimmt, ob die Finanzierung von Schwangerschaftsunterbrechungen, die hier nur in sehr wenigen Fällen wie Vergewaltigung erlaubt sind, gekürzt werden soll. Das liegt vor allem an der starken evangelikalen Fraktion im Parlament, aber auch an den Katholiken. Bei jeder Wahl ist es das Gleiche: Die Rechte der Frauen sind die ersten, die im Parteienpoker wegverhandelt werden.

Brasilien ist das Land der Zweideutigkeiten. Mit der Begeisterung, der Liebe zum Fußball kommt auch die Option von mehr Revolte. Seit dem Confed-Cup gibt es eine starke Mobilisierung, das kommt nicht von ungefähr. Wir stehen plötzlich im Mittelpunkt, unsere Meinung ist gefragt. Es ist ein Moment, in dem der Disput über politische Ideen besonders groß ist.

Die Autorin ist Geschichtslehrerin und feministische Aktivistin der „Articulação das Mulheres Brasileiras“.

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