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Kolumne GerüchteDie unberechenbare Geldkurve

Bernhard ist süchtig geworden nach dem Auf und Ab des DAX. Doch wie viel Mitleid soll man für Aktienbesitzer aufbringen?

D ie Zeit vor 25 Jahren ist fast vergessen. Damals saßen wir mit unserer New-Wave-Band "Die Letzten vom Fußballplatz", kurz DLF genannt, beim Griechen zusammen. Ich stritt mit Bernhard darüber, ob wir für den Auftritt in der Hasenheide wirklich Geld verlangen könnten oder vielleicht doch noch gar nicht gut genug dafür seien. Ja, das Geld und das Selbstwertgefühl. Das Thema ist heute wieder aktuell. Auch bei Bernhard.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.

Mit Gitte und den Kindern ist Bernhard mittlerweile in ein Haus am See mit einem öffentlichen Spazierweg bei Potsdam gezogen. Bernhard hat als IT-Berater mit seiner sehr erfolgreichen Firma schätzungsweise schon eine Million Euro verdient und überdies geerbt.

"Der DAX wird nicht mehr unter die kritische Zone von 4.200 Punkten fallen", verkündet Bernhard gerade, "die Frage aber ist, ob er den alles entscheidenden Widerstandsbereich von 5.200 Punkten ansteuern kann." Wir sitzen zu viert im Wohnzimmer mit Blick auf Garten, See und den Spazierweg. Auf dem Glastisch liegt die Finanzseite der FAZ mit der Rubrik "Die Technische Analyse". Darin schreibt ein manischer Börsenanalyst regelmäßig über den DAX-Verlauf.

"Dem jüngsten Anstieg des DAX kommt noch nicht unbedingt ein Trendwendecharakter zu", führt Bernhard aus, "diese Kurve nach oben ist vielleicht nur eine leichte Erholung. Aber was wird der DAX als Nächstes tun? Verhält er sich überhaupt noch in irgendeiner Weise rational oder agiert er nach ganz anderen Gesetzen?" Kürzlich hatte mir Bernhard zu vorgerückter Stunde beim Edel-Italiener gestanden, vor einigen Monaten "mehr als ein Jahresgehalt" durch das Wetten auf die falschen Wertpapiere verloren zu haben.

In der Grafik in der Zeitung wimmelt es von "mittelfristigen" und "langfristigen Abwärtstrends" und einem "alles entscheidenden Widerstandsbereich", der in Form eines roten Kreises auf der Kurve eingezeichnet ist. Die Kurve weist zart nach oben. Im Text schreibt der Autor, dass, sollte der DAX doch wieder herunterfallen, es "sehr fürsorglich wäre, wenn man mich dann an diesen Beitrag nicht mehr erinnern würde".

"Es hat vielleicht längst metaphysische Dimensionen erreicht", Bernhard hebt die Stimme, "mal angenommen, der DAX hat sich längst von der Wirtschaft abgekoppelt und es merkt nur keiner. Geniale These."

Ich werde Bernhard die Ausführungen von Ruediger Dahlke zur "Psychologie des Geldes" schenken. Dahlke hat eine gewisse Popularität erreicht durch die Erfindung seiner "Geldkurve". Darin wird die "Geldmenge", über jemand Mensch verfügt, in Beziehung zu seiner "Lebensqualität" gesetzt. Die Kurve steigt zuerst steil an, das heißt, wenn man arm ist und jung, bringt das Geldverdienen mehr Spaß am Leben. Doch nach Erreichen der finanziellen "Luxuszone", flacht die Stimmungskurve ab und sackt dann nach unten.

"Wenn jemand schon fast alles hat, das mit wenig Geld zu kaufen ist, braucht er viel Geld, um sich noch einigen Zusatzluxus leisten zu können", erläutert Dahlke. Am Ende kann sich der Reiche aber mit noch so viel Geld immer weniger Zusatz-Lebensfreude kaufen, "die zusätzlichen Geldmengen führen jetzt nur noch dazu, dass die Verlustangst steigt". Läuft Bernhard Gefahr, eine arme Sau zu werden ?

"Was meinst du", Christoph wechselt das Thema, "wir könnten mal wieder zusammen Musik machen. Hier im im Keller ließen sich bestimmt Instrumente aufstellen." Hübsche Idee. Und Geld haben wir früher damit auch nicht verdient.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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