Kolumne Gerüchte: Lob der Hütchenreise
Eine Pauschalwanderreise mit Rentnern ist der Horror? Falsch! Hier ein echter Geheimtipp.
S chon interessant, wie man sich beim Reisen in neue Erfahrungsräume begibt. "Ohayou gozaimasu"-ich habe gelernt, was auf japanisch "Guten Morgen" heißt. Für japanische Touristen ist das Berner Oberland mit den schneegekrönten Gletschern eine mystische Stätte im romantischen Europa. Auf den Wanderpfaden sind die Japaner besonders freundlich, wenn man mal eben überholen will und die Grußworte in ihrer Heimatsprache kann.
Das mit dem Japanisch grüßen hat uns Wanderführer Hannes beigebracht, 65 , und Schwabe. Das hier sei seine letzte Tour vor der Rente, hat er verkündet. Die andern acht Gruppenmitglieder sind fast alle schon im Ruhestand. "Also du bist ja wohl eindeutig der jüngste Hüpfer in der Gruppe", sagt Detlef zu mir. Eine nicht unangenehme Feststellung für mich, eigentlich. Aber auch ein Problem.
Denn erst im Ruhestand kann man offenbar so richtig viel trainieren. "Dreimal die Woche zwei, drei Stunden mit dem Mountainbike im Harz rauf und runter und du bleibst fit", höre ich Werner sagen. Gerhard hat ihm zuvor von seinen Erlebnissen beim Eiskurs auf dem Taschachhaus in Österreich erzählt. Detlef hat erst vor kurzem aufgehört, Marathon zu laufen.
Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Soziales im Inlandsressort der taz.
Dabei habe ich eine Wanderreise auf der laut Katalog leichtesten Konditionsstufe gebucht. Gehzeiten nur bis sechs Stunden täglich. Hach, die "Gehzeit"! Welch verlogene Maßeinheit!"Bei gefühlten 35 Grad Gebirgssonne 600 Meter Höhenunterschied in den Schweizer Alpen hochzukeuchen ist was anderes als im flachen herbstlichen Brandenburg herum zu spazieren.
Die anderen verlangsamen wegen mir rücksichtsvoll ihren Schritt. "Das Faulhorn wirst du schaffen," ermuntert mich Werner. Schon zweimal hat er mir die Wanderstöcke aufgehoben, ganz Kavalier. Ist auch eine Abwechslung, mal wieder irgendwie als Dame wahrgenommen zu werden.
Die Mehrzahl der Männer hat ihre Ehefrauen aus unterschiedlichen Gründen zuhause gelassen, aber alle reden nett von ihren Angetrauten. Kein Zweifel: Die Leute in der Wandertruppe haben Charme. Dabei hatte mich Britt zuvor gewarnt: "Bestimmt sind das Rentner mit Shorts und Sonnenhüten. Eine Hütchenreise hast Du gebucht!" Die Männer hier tragen allerdings Baseballkappen.
"Die Kinder sind doch schon lange aus dem Haus, da hat man nicht mehr soviel Verantwortung. Deswegen gehen wir ruhig noch auf Klettertouren ", erzählt Rudolf gerade Werner. Der Dresdner ist 70 Jahre alt und klettert mit seiner Frau immer noch regelmäßig in der Sächsischen Schweiz herum, einem sicherungsmäßig hoch riskanten Sandsteingebiet.
Mir fehlt die Puste, mich noch groß zu unterhalten. Noch eine halbe Stunde! Und ist nicht auch auf 2 600 Meter Höhe die Luft schon auffällig dünn?
Doch auch ich schaffe es schließlich noch zum Faulhorn. Detlef trägt mir superhöflich die Apfelschorle auf die Hüttenterasse hinterher. Im zivilisierten Berlin passiert mir sowas nicht mehr.
Nach dem Abstieg endet die Tour wieder unten bei der Gondelstation First. Wir treffen erneut auf eine Gruppe Japaner. "Konnichi wa", guten Tag! Die Japaner strahlen. "Ist doch auch schön, wenn man fremde Kulturen kennenlernt, ohne weit fliegen zu müssen", murmelt Detlef. Da ist was dran.
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