Kolumne Gerüchte: Denn sie wissen, was Frauen wollen
Yogalehrer, Physiotherapeuten: Einfühlsame Männer sind im Kommen. Doch das ist heikel.
W o kriegt die Frau in höheren mittleren Jahren Aufmerksamkeit her? Männliche Aufmerksamkeit, um genau zu sein. Interessante Frage. Man könnte als Frau natürlich sagen: Männliche Aufmerksamkeit brauche ich nicht. Bin ich von weg. Habe ich genug. Oder man geht zu Männern wie Roberto.
Roberto, schwärmte Theresa, "er hat goldene Hände". Roberto war Theresas Physiotherapeut. Zuerst auf Krankenschein, dann zahlte sie die 50 Euro die Stunde selbst. Roberto praktiziert eine Mischung aus Osteopathie, Massage und gutem Zureden. "Ich kann mich bei ihm so richtig fallen lassen", schilderte Theresa, "und toll reden kann man mit ihm. Ich glaube, der mag mich wirklich. Macht auch immer ein bisschen länger." Ihre Worte fielen mir ein, als ich bei John Privatstunden hatte.
John ist Deutschamerikaner, Anfang 40, Shiatsu-Therapeut und Yogalehrer, ein "charismatischer Yogalehrer", wie ich in jenem Fitnesstudio der Premiumklasse, in dem John Gruppen- und Privatstunden gibt, vernahm. Auch John liefert einen gewissen seelischen Mehrwert und korrigiert nicht nur, wenn man beim "Hund" fälschlicherweise den Rücken rund macht und beim "Brett" die Ellenbogen nach außen beugt. John erklärt, dass "die Angst in der Hüfte sitzt" und die Energie "nur frei fließen kann, wenn du loslässt".
Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Soziales im Inlandsressort der taz.
Bucht man eine Shiatsustunde, zeigt sich John erst recht als ein Mann, der weiß, was Frauen brauchen. "Mach einfach langsamer im Alltag", rät er, als ich den Stress im Büro, meine Flugangst und neuere Entwicklungen in der Familiendynamik zur Sprache gebracht habe, diese Widrigkeiten aber dank seiner einfühlsamen Drückerei am Rücken entspannter sehe. "Folge einfach deinen Gefühlen. Und alles geht leichter." Auch diese Sätze kommen gut an.
Suse hat auch einen Mann für gewisse Stunden, Heilpraktiker. Nach ausführlicher Anamnese diagnostizierte er ihre "tiefsitzende Angst im Bauch" und ihre Härte gegenüber ihrem "inneren Kind". Er empfahl eine Darmsanierung, die mehrere Termine erforderte. Die Details der Sanierung sind mir entfallen.
Ich sag es jetzt, wie es war: Nach zehn Einzelstunden Yoga und Shiatsu habe ich bei John aufgehört. Nicht nur, weil auch die hysterische Gelbhaarige in der Umkleidekabine des Fitnessstudios von "Johnny" und seinem Einfühlungsvermögen schwärmte. Sondern auch, weil ich feststellen musste, schon zu viel von Johns Eheproblemen zu wissen. Auch bei Theresa geriet die Sache in eine Schräglage: Sie erzählte mir eines Tages, Roberto beklage sich zunehmend über seine anderen Patientinnen, das seien alles so betuchte Frauen, die zu große Erwartungen an ihn stellten, womit er sie, Theresa, aber natürlich nicht meine … Irgendwann vereinbarte sie einfach keinen neuen Termin.
Ich gehe neuerdings bei uns um die Ecke zu Pong, "Massagestudio nur für Frauen" steht bei ihr auf der Schaufensterscheibe. Pong spricht kaum Deutsch und auch nur wenig Englisch und sagt "viel velspannt" zu meinem Rücken. Ich halte die Klappe. Man muss nicht reden über seine Probleme. Man soll vor allem auf seine Gefühle hören. Hat doch Johnny auch gesagt.
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