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Kolumne FortgeschritteneUnd ewig lockt das Wir

Ines Kappert
Kolumne
von Ines Kappert

Frauen sollen an einem Strang ziehen, weil sie ja alle die gleichen Wünsche haben. Was soll der Kitsch?

S ie höre immer nur "müssen". Frauen müssen mehr Gehalt fordern, technische Berufe in Betracht ziehen, müssen aufhören, unbedingt mit "Menschen arbeiten" zu wollen, müssen sich endlich den Weg nach oben bahnen. Wenn es ihr aber in der dritten Reihe ganz gut gehe, sie den Druck echt nicht brauche? Was dann? Dann ist offenbar vieles in Ordnung für dich, denke ich mir. Dann such dir jemand anders zum Spielen, und lass uns in Ruhe.

Die Frau, die Mitte dreißig sein dürfte, stellt sich als Arbeitspsychologin vor, und sie gibt keine Ruhe. Eine Studie, fährt sie fort, eine Studie habe gezeigt, dass sich Frauen am Arbeitsplatz in reinen Frauenteams mehrheitlich extrem wohlfühlten. Im Gegensatz zu Männern, die gemischten Teams den Vorzug gäben - vorausgesetzt, die Frauen stellten keine Mehrheit.

Mir ist die Frau sympathisch, trotzdem werde ich langsam aggressiv. Immer diese pseudowissenschaftlichen Argumentationen, die sich auf nicht weiter ausgewiesenen "Studien" stützen. Wer wurde befragt, wann, von wem, mit welchem Auftraggeber? Ich kann es nicht mehr hören. Aber rechtfertigt dieses bisschen Populismus meiner Gesprächspartnerin meine Wut? Mist. Da ist sie wieder, die Identitätsfalle, und ich als fette Beute mitten drin. Das Gerede von "wir Frauen" ist wirklich die Pest in Tüten. Schon fühle ich mich gegängelt vom dem schwups angelegten Maßstab, nach dem "wir" alle uns richten sollen. Weil wir doch Frauen sind und emanzipiert. Wann kriegen wir es endlich los, wann perlt es endlich an mir ab, dieses klebrige Wir? Erinnert sich denn niemand mehr an die Debatten in den 90ern, an das heiß umstrittene Buch "Gender Trouble" von Judith Butler?

Bild: taz

Ines Kappert ist Redakteurin im taz-Meinungsressort.

Butler forderte einen Feminismus, der keine Politik betreibt im Sinne von "Wir Frauen sind, wollen, brauchen - müssen". Und den Mann als konstanten Antipoden instrumentalisiert. Sie verlangte einen Feminismus, der sich emanzipiert vom Geschlecht als für die eigene Identität unhintergehbare Größe. Der Feminismus braucht eine neue Grundlage, schrieb sie und wurde für ein paar Jahre meine Heldin. Meine Güte, bekam die Lady aus San Francisco für diesen Vorstoß Prügel! Inzwischen gehört es zum Mainstream, dem Vorschlag Butlers zu folgen und von "Gender" zu sprechen. Also zumindest vordergründig von kulturell geformten, damit vielfältigen Geschlechtsidentitäten auszugehen. Doch parallel zu diesem Lerneffekt: Munter geistert die Sehnsucht nach einem Wir durch die Gegend. Dass wir Frauen alle an einem Strang ziehen müssten, um die gläserne Decke endlich zu durchstoßen. Dass wir im Grunde die gleichen Wünsche hätten. Haben wir aber nicht, brauchen wir auch nicht.

Wenn keineswegs nur Frauen die gleichen Aufstiegschancen für Frauen wie für Männer fordern, heißt das genau nicht, dass alle emanzipierten Frauen, den Kampf nach "oben" antreten müssen. Und sie müssen auch nicht neidisch sein auf die Frauen, die sich als Chefinnen verdingen. Hört auf, euch ständig mit anderen Frauen zu vergleichen. Ein solches Denken macht die Welt so klein! Es geht doch nur darum, den strukturellen Ausschluss von Frauen aus Führungspositionen als Demokratiedefizit zu begreifen - und eben nicht als Frauenfrage. Warum kann diese Erkenntnis nicht einfach mal Status quo bleiben?

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

6 Kommentare

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  • V
    verena

    ist ja lustig. lauter positive kommentare, und der letzte auch noch rechtsradikal. und dass "gleichberechtigung nur für frauen gilt" - hallo? ja klar, weil frauen strukturell diskriminiert werden. natürlich braucht es kein gleichberechtigungsgesetz für männer, wenn der gesamte arbeitsmarkt auf den mann setzt, der seine kinder, seine eltern und freunde von frauen pflegen lässt. und eben keine flexiblen arbeitszeiten einfordert, massiv einfordert, weil er die fürsorge für andere systematisch delegiert. nicht vergessen: der widerstand gegen die gleichförmigkeit von biographien, gegen das "klebrige wir" ging von feministinnen aus.

  • Q
    Quotenopfer

    Genau!

     

    Nur noch Frauenförderung und Frauenquoten ohne Erwähnung des Wortes Frau.

     

    Bei den FrauenbeauftragtInnen habt ihr es schon geschafft. Sie heißen mittlerweile Gleichstellungsbeauftragte.

     

    Blöd halt nur, dass Gleichstellung nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat. Aktives und passives Wahlrecht für diese sexistischen Frauengeschlechterkämpferinnen haben nämlich ausschließlich Frauen. Männer dürfen weder wählen, noch sich zur Wahl stellen.

     

    Gleichberechtigung ist etwas gutes, schade nur, dass sie nur für Frauen gilt.

  • HW
    Harald Wenk

    Selbstverständlich ist das Problem statischer Kollektive sehr zentral. Ca. 3 Milliarden Frauen sind fast nur noch statistisch und per identifaktorischer oder rezeptorischer Reduktion auf die elementare Gemeimsamkeit der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale in dem Blick zu bekommen.

    Im Gegensatz zu den Lohnabhängigen hapert es mit

    den Kollektivorganisationen aus diesen Gemeinsamkeiten oder eine Art Klassenbildung.

    Das liegt natürlich am erwähnten Demokratiedefizit, der sich aus einem sehr subtilen

    Verhaften in der familären Sphäre der Frauen speist.

    Da schägt die globale Statsitik zu, wo Demokratiedefizite ganz erheblichen Ausmasses für noch erheblicheres Ausmass dieses Verhaftetseins in Gestalt der Verstärkung der religiös verhärteten moralischen Codes sorgt und so

    das Problem der Überbevölkerung, bei ansatzweiser bis auf "Verteilungsprobleme" doch realisierter Ernährung der Weltbevölkerung, hervorbringt und trägt.

     

    Insofern ist das doch noch immer noch sehr fruchtbar, bedenkenswert und wichtig, was Frau Judith Butler und die Kommentatorin schreiben.

     

    Wie tragend die Frauenzugehörigkeit für die eignen Subjektivierung wirklich ist, ist ein weites Feld.

    Die Grundtendenz: Weite Teile der Subjektivuierungen sind sozusagen gesschlechterübergreifend, ist eine bmerkenswerte Errungenschaft und Freiheit der westlichen Kultur.

    Allerdings ist die Frage, von wo aus denn die

    neuen Bestimmungen dieser Freiheit kommen, auch der Selbstreflexion gestellt.

    Kunst und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft - und natürlich die Freiheit, die mit der Demokratie materalisiert sein soll.

  • U
    Udo

    whow was für eine Aussage, die kann ich sogar als Mann Unterschreiben. Endlich mal ein Artikel der ohne dieses femigeschwafel von Männer müssen sich usw. auskommt.

  • P
    Privatier

    Mir geht diese Dichotomie auch gehörig auf den Keks. Diese beständige Rasterfahndung, wie Frau zu sein hat und dies als Lebensaufgabe der politischen Positionierung. Das Fischbein-Korsett der Moderne ist nicht weniger eng als das von Ur-Großmama. -Es wird eine Stromlinienförmigkeit der Biographien gefordert, dass die Gel-Fabrikanten gar nicht mehr hinterherkommen.

  • A
    anke

    Gute Frage, das! Ich fürchte, die Antwort ist all zu simpel: Weil es eben nicht um den Status quo geht, sondern um den Endsieg. Und der Endsieg, das war schließlich schon immer so, nicht wahr?, der Endsieg also erfordert die Mobilisierung auch noch der aller letzten Reserven. Vor allem aber erfordert er die Rekrutierung ausnahmslos aller, denen man die Führung des bunten Haufens zutrauen kann. Ein Muttermachtverräter, wer sich der allgemeinen Mobilmachung zu entziehen versucht!

     

    Ich frage mich gerade, wann der Bundestag endlich über die Rehabilitierung fahnenflüchtiger Frauen debattieren wird. Nicht, bevor der Krieg der Geschlechter nicht endgültig verloren ist, steht zu befürchten - für wen auch immer.