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Kolumne FernsehenDer Feind im Friseursalon

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Nicht Heidi Klum ist für alles Elend der Welt verantwortlich - es gibt auch noch andere Frauen, die einiges missverstehen.

D ie Mädchen müßten endlich begreifen, dass sie Konkurrentinnen seien und die Ellenbogen ausfahren. Bisher gingen die viel zu kuschelig miteinander um. Sagt - nein, nicht Heidi Klum. Die ist nicht für alles Elend der Welt verantwortlich. Es geht auch gar nicht um den Posten des Weltstars, sondern lediglich um die Hoffnung, eine Lehrstelle zu ergattern. In einem Friseurgeschäft. Die Frau, die sich rücksichtslosere Teenies wünscht, ist die Chefin. Ein zauberhaftes Betriebsklima dürfte in dem Laden herrschen.

Bild: taz

Bettina Gaus ist Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.

Drei Bewerber oder Bewerberinnen wetteifern auf ProSieben in der Doku-Soap "Deine Chance" um Lehrstellen oder Jobs -- als Tauchlehrerin, als Koch, als Schneiderin. Der Sender über die Produktion: "Es gilt seinen Job ordentlich zu machen, die Chefs zufrieden zu stellen und sich von seiner besten Seite zu zeigen." Und weiter: "Wie schlagen sich die drei angesichts ihrer Konkurrenten? Wie verstehen sie sich mit dem Chef? Wann wird der Mitstreiter zum schlimmsten Feind im Rennen um die begehrte Stelle?"

Präziser kann man den uralten Traum von Kapitalisten nicht zusammenfassen. Wenn ihn nun allerdings bereits Geschäftsführerinnen kleiner Dienstleistungsbetriebe träumen, dann haben sie etwas missverstanden. Auch und vor allem hinsichtlich ihrer eigenen Interessen. Wie sich im späteren Verlauf der Sendung zeigt.

Eine Aufgabe der Aspirantinnen auf die Lehrstelle im Friseurgeschäft besteht nämlich darin, einen Kunden während der Wartezeit alleine zu betreuen. Sie denken, es gehe um Freundlichkeit und guten Service - und scheitern deshalb kläglich. Während sie eine Tasse Kaffee holen, klaut der junge Mann alles, was er in die Finger bekommen kann.

Die Botschaft: Vor allem überwacht sollen die Kunden werden, nicht umsorgt. Ob die Bewerberinnen hätten punkten können, wenn sie erst einmal ihre Fähigkeiten als Hackerinnen unter Beweis gestellt und die Mails des Mannes daraufhin überprüft hätten, ob er sich auch niemals negativ über den Friseursalon geäußert hat? Für derartige Vorsichtsmaßnahmen gibt es ja inzwischen große Vorbilder.

Der "Feind" ist also nicht nur die Kollegin, sondern auch der Kunde. Großartig. In einem solchen Salon will man sich wirklich dringend die Haare schneiden lassen. Ob der Betrieb wohl demnächst so marode ist, dass nur noch Unternehmensberater Hagen vom Sender Kabeleins helfen kann?

Als "entscheidenden deformierenden Schritt" hat Gesine Schwan kürzlich im Spiegel den Weg der 90-er Jahre beschrieben: "Von einer "Wettbewerbswirtschaft zu einer Wettbewerbsgesellschaft, wo Konkurrenz der einzige Motor und auch das einzige Kriterium für Leistung ist." Wo sie Recht hat, hat sie Recht.

Wie es im wirklichen Leben jenseits von spielerischem Kampf zugeht, zeigt das Fernsehen übrigens auch. Gelegentlich. Gerade hat der WDR die glänzende Sendung "Leiharbeit undercover" wiederholt. In dem Film von Julia Friedrichs werden die Erfahrungen des Autors Markus Breitscheidel geschildert, der sich ein ganzes Jahr lang im Niedriglohnsektor durchgeschlagen hat. Für drei bis sieben Euro die Stunde, ohne Rechte.

Spannend, informativ. Und der Feind steht nicht im eigenen Lager. Manchmal weiß man dann eben doch wieder, wofür man eigentlich Fernsehgebühren zahlt.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

2 Kommentare

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  • A
    anke

    Des einen Eule ist des anderen Nachtigall. Frau Gesine Schwan glaubt also, sie würde das Amt des Bundespräsidenten gut ausüben. Ich glaube das auch. Schon deswegen, weil ich es (womöglich mangels Einblick in die Materie) für keine all zu große Kunst halte, noch um einiges "besser" zu sein als der amtierende BP. Allerdings bin ich auch felsenfest davon überzeugt, dass es schon heute jede Menge Frauen gibt, die sich nicht mehr fragen: "Kann eine Frau das überhaut?" Und unter denen wiederum gibt es durchaus einige, die ich mir nicht unbedingt noch weiter ermutigt wünsche. Weil sie nämlich (aus welchen Gründen auch immer) auch nicht mehr Mensch sind als ein x-beliebiger Machomann. Wenn, nur zum Beispiel, weibliche McKinsey-Mitarbeiter über Führungsstiele reden, dann gewiss mit Blick auf den Image- und damit den Konkurrenzvorteil derjenigen Unternehmen, die jene Untersuchungen und damit auch sie selbst finanzieren. Einem Hartz-IV-Empfänger allerdings kann es vollkommen Wurscht sein, ob der Konzern, der ihn den Job gekostet hat, von einer Frau und partizipatorisch oder von doch einem Mann und patriarchal geführt wird. Was ich damit sagen wollte? Nichts. Außer vielleicht: Wenn sich Frau Schwan diesmal durchsetzt gegen die männliche Konkurrenz, wird die nächste Frau gegen eine Frau antreten müssen. Und dann wird ProSieben gewiss auch wieder fragen: "Wann wird der Mitstreiter zum schlimmsten Feind im Rennen um die begehrte Stelle?" Die Einschaltquoten, fürchte ich, liegen auch dann wieder im hohen zweistelligen Bereich.

  • V
    vic

    Ja das ist sie, Frau Gaus. Die schmutzige kleine Welt der Privaten Sender.

    Alle Privaten, die selbstverständlich auf jedem neuen Receiver ganz vorne im Profil vorprogrammiert sind, habe ich sofort nach Erwerb eines Gerätes immer schon gelöscht.