Kolumne Fernsehen: In der Vertreterfalle
im Moment bin ich schwer beschäftigt, schreibe die Jörges-Kolumne im "Stern" und die vom dicken Markwort im "Focus"
G uten Tag, meine Damen und Herren, liebe Kinder!
Na, merken Sie was? So wie Sie gucken eher nicht. Umso besser! Davon lebe ich nämlich, dass nie jemand was merkt. Ganz gut sogar. Aber auf Dauer ist mein Job trotzdem ziemlich unbefriedigend, weil er nie von Dauer ist. Ich bin hier nämlich nur die Vertretung, der Denk ist im Urlaub, wie eigentlich alle im Moment. Ich kann immer nur verreisen, wenn sonst garantiert keiner will: Korsika im November - kann ich nur empfehlen!
Im Moment bin ich schwer beschäftigt, Sommerzeit, Vertretungszeit, schreibe die Jörges-Kolumne im Stern und die vom dicken Markwort im Focus. Da staunen Sie, was? Wenn Sie jetzt sagen würden, dass mein Job nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig ist, könnte ich kaum widersprechen. Aber ich selbst sollte mich mit solchen Aussagen zurückhalten. Sonst bin ich raus, die nächsten abgebrochenen Journalistikstudenten warten schon.
David Denk ist Redakteur im Gesellschafts-Ressort der taz.
So gesehen ist das, was ich hier gerade tue, beruflicher Selbstmord, aber ich kann einfach nicht länger schweigen: Die Zeit ist reif für einen Aufstand der Randständigen! Steffen Seibert hat mir Mut gemacht. Auch er saß beim ZDF in der Vertreterfalle. Ins "heute journal"-Studio durfte er immer nur, wenn Claus Kleber und Marietta Slomka nicht konnten. Glauben Sie mir: Ich weiß, wie es sich anfühlt, immer nur der Zweite zu sein. Auch alle Hoffnungen in den neuen Chefredakteur haben sich nicht erfüllt. Die schönen Posten hat Peter Frey anderen gegeben.
Seibert hätte warten können, bis Claus Kleber keine Lust mehr hat. Hat er aber nicht. Und dafür, dass er sich einen neuen Job gesucht, sich aus der Vertreterfalle befreit hat, gebührt ihm der Respekt aller Vertretungen da draußen. Zum Zeichen meines Danks möchte ich mir ein Beispiel an ihm nehmen und mir auch endlich was Neues suchen. So geht das nämlich echt nicht weiter. Okay, in der Politik muss der Job jetzt nicht unbedingt sein, da schreib ich lieber weiter Quatschkolumnen, aber ansonsten bin ich so ziemlich für alles offen.
Wenn es eins gibt, was ich in meiner Zeit als Vertretung gelernt habe, dann das! Wählerisch zu sein kann man sich in meiner Position nicht leisten. Oder glauben Sie etwa, dass es Spaß macht, sich in die Hirnwindungen von Helmut Markwort reinzudenken?! Mittlerweile habe ich ihn so gut verstanden, dass mich manchmal sogar Frau Riekel anruft und wissen will, was denn da schon wieder in ihren Mann gefahren ist. Ich lege immer gleich auf. Das muss ich mir nun wirklich nicht auch noch antun.
Der einzige Stellvertreter, den ich um seinen Job beneide, ist der Papst. Der kann sogar negativ auffallen, ohne dass das Konsequenzen für ihn hätte. Er ist unkündbar, ich bin nur freier Mitarbeiter. Den Mann, den er vertritt, sieht man nie - sodass ich so meine Zweifel daran habe, dass es den überhaupt gibt. Umso mehr wundert es mich, wie häufig sich der Vize auf seinen Chef beruft und wie verzagt er handelt - fast so, als hätte er Angst davor, dass der ihm seine Entscheidungen eines fernen Tages um die Ohren hauen wird.
So, das war's. Hier trennen sich unsere Wege. Keine falschen Sentimentalitäten. Sie werden mich schon nicht vermissen.
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