Kolumne Fernsehen: Auf eine Schogette mit Oliver Geissen
Werbung und Würde – ein Hochspannungsfeld, in dem schon so einige TV-Promis umgekommen sind.
N eulich stand ich im Berliner Berufsverkehr mal wieder länger an einer Ampel rum und bekam spontan Mitleid mit Olli Geissen. Der grinste bräsig von der Beifahrertür eines Taxis neben mir. Sein Gesichtsausdruck ging mir nicht nahe - es war die Werbung, für die er ihn hergab. "Schogetten 12 points!" stand da, denn bald ist ja wieder Eurovision Song Contest, und der Hersteller der Tantenschokolade glaubt wohl, dass das Wettsingen mindestens genauso gut zu seinem süßen Produkt passt wie die Grinsekatze von RTL.
So weit ist es also gekommen, dachte ich bei mir, dass ich Mitleid mit Olli Geissen habe.
"Schogetten 12 points!" ist ein derart grottiger Slogan, dass man fast glauben könnte, Geissen hätte ihn sich selbst ausgedacht. Um von sich abzulenken, hat die Werbeagentur kurzerhand Anführungszeichen um den Slogan gesetzt, lässt also Olli Geissen sagen, was keiner hören will: "Schogetten 12 points" - und mit so was kann man Geld verdienen, und zwar nicht zu knapp (ein Gedanke, der einen auch angesichts von Geissens gnadenlos runtergespulten Moderationen fassungslos macht)!
Die Älteren werden sich erinnern, dass Geissen mal das Sendergesicht von RTL war, in dieser Funktion etwa 2009 die zweiteilige Show zum 25. Senderjubiläum moderieren durfte. Zwei Jahre später sieht man ihn kaum häufiger im RTL-Programm als seinen Namensvetter Oliver Pocher künftig bei Sat.1. Da muss man dann auch schon mal Schogetten-Werbung machen, um nicht vollends in Vergessenheit zu geraten - und den Lebensstandard seiner Lieben zu erhalten.
Werbung und Würde - ein Hochspannungsfeld, in dem schon so einige Promis umgekommen sind. Es schreit zwar kaum jemand so laut "Ich brauche das Geld, mein Mann ist pleite" wie Verona Pooth als Markenbotschafterin eines bekannten "Textil-Discounts", doch selbst ein Hape Kerkeling erliegt der selbstverständlich ausschließlich künstlerischen Versuchung, für ein piefiges Möbelhaus in - haha - die Rollen von Angestellten wie Kunden desselbigen zu schlüpfen und als Jingle einen - hihi - umgedichteten Saufschlager zu schmettern.
Dass ihre Helden da selber niemals einkaufen würden, scheint die Verona- und Hape-Fans weniger zu stören als mich. Auch Olli Geissen kauft privat wohl eher richtige Schokolade. Ist Glaubwürdigkeit beim Casting von Testimonials etwa keine Kategorie mehr, nur noch deren Prominenz? Insofern - und dieses Zugeständnis fällt mir wirklich schwer - ist die Elektromarktwerbung mit Mario Barth gelungen. Oder zumindest authentischer als eine Hugendubel-Werbung mit Barth.
DAVID DENK ist Medienredakteur der taz.
Löbliche Ausnahmen sind die Oliver-Pocher- und Olli-Dittrich-Spots für denselben Elektromarkt sowie Thomas Gottschalks Haribo-Engagement. Zwar isst der sicherlich nicht den ganzen Tag Süßes, wäre ja auch schlecht für die Zähne, aber die Haltung stimmt: Er steht voll hinter der Marke und distanziert sich nur ein Augenzwinkern von der Betulichkeit der Spots, in denen er den Gummibärchenonkel gibt. So soll das sein, so würde ich mir das öfter wünschen. Zum Beispiel wenn ich Olli Geissen an der Ampel treffe.
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