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Kolumne FernsehenMutig auf den Mainstream scheißen

Kolumne
von David Denk

Die deutsche Fernsehenshowbranche ist mal wieder ordentlich innovationsfreudig. Hier noch ein paar verrückte Vorschläge.

D as deutsche Fernsehen ist ja nie um eine Innovation verlegen. Da hatte ich neulich ein Wiedersehen mit dem alten Schlachtross Hella von Sinnen, das bei RTL2 eine Sendung namens "Klick-Stars" moderiert, in der kleine Hosenscheißer von süßen Küken verfolgt werden, gefilmt mit Papis Handy. Dass da vorher noch niemand drauf gekommen ist! Man hätte so ein Format mit drolligen Homevideos ja theoretisch auch schon vor dem YouTube-Zeitalter entwickeln und es - nur so eine Idee - "Bitte lächeln" nennen können.

Aber eben nur theoretisch. Gute Ideen lassen sich nicht so einfach übers Knie brechen. Der Zuschauer hat da leicht reden.

An diesem konstant hohen Innovationsniveau muss sich auch "The Voice of Germany" messen lassen, eine laut ProSieben-Ankündigung "noch nie da gewesene Musik-Show", in der - jetzt halten Sie sich mal gut fest - die Stimme Deutschlands gesucht wird. Eine Art Wettsingen also, wenn ich das richtig verstehe. Vor "erfolgreichen Stars aus der Musikszene" müssen die KandidatInnen ihr Können beweisen.

Bild: taz

DAVID DENK ist Medien-Redakteur der taz.

Damit auch jede Provinz-Beyoncé zumindest theoretisch die Chance hat, kraft der Musik dem Mief ihres Kaffs zu entkommen, finden in gefühlt 34 deutschen Städten Castings statt, die - ein Indiz für die Innovationsfreude der Macher - bei "The Voice of Germany" aber "Scoutings" heißen. Und wem selbst der Weg nach Kassel zu weit ist, der kann auch zu Hause mittels Webcam an der "Online Audition" teilnehmen: "Den Song darfst du frei wählen, Hauptsache deine Stimme überzeugt!"

Man darf schon jetzt gespannt sein, welch neuer deutscher Superstar vom Schlag einer Elli Erl am Ende das Rennen machen und fortan mit jeder neuen Single die Hitparade stürmen wird.

Viele große historische Persönlichkeiten haben bewiesen, wie weit man damit kommen kann, wenn man nicht verzagt, Neues wagt, auf den Mainstream scheißt. Und deswegen möchte ich an dieser Stelle ein paar zunächst vielleicht verrückt klingende Vorschläge für neue Fernsehformate machen - bedienen Sie sich ruhig, liebe Programmmacher, die Vorschläge sind open source, ist genug für alle da:

1. eine Sendung, in der ein anerkannter Koch aus einer Großstadt in die Provinz fährt, um dort die Pinte von dialektsprechenden Nixblickern vor der sicheren Pleite zu bewahren (Wenn der Retter nicht ganz so bekannt ist, macht das auch nichts - Hauptsache, die besuchten Wirte stellen sich richtig schön begriffsstutzig an)

2. Oder was ganz anderes: eine Sendung, in der eine dicke Frau/ein kettenrauchender Mann/eine unsympathische Frau mit Brille zu Leuten nach Hause kommt, um ihnen mit der Einrichtung/den Schulden/den Blagen zu helfen.

3. eine Sendung, in der ein echter Richter (oder vielleicht noch besser eine echte Richterin) mit der Theater-AG einer Hauptschule fiktive Strafrechtsverhandlungen aufführt

4. eine Sendung, in der Polizisten/Politessen/Zollfahnder/Makler bei ihrer spannenden Arbeit begleitet werden

Hybridformen und Variationen sind möglich, Ähnlichkeiten mit bereits existierenden Formaten rein zufällig.

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Ressortleiter tazzwei

12 Kommentare

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  • O
    OttoKrüja

    Hier übersehen wohl einige Kommentatoren die Metaebene auf welcher der Artikel gründet.

     

    Herr Denk schreibt das, was seit Jahren so oder ähnlich über Sendungen geschrieben wird, die seit Jahren so oder ähnlich gesendet werden und das als Innovation verkaufen und verkauft das noch als Innovation! Geradezu brilliant!

  • WA
    Wolf am Rhein

    Ich finde den Artikel gut. Er bringt es pointiert auf den Punkt. Selbst die öffentlich-rechtlichen sind soweit von ihrem Auftrag weg, das es garnicht oft genug in klaren Worten gesagt werden kann. Dieses Verdummungsprogramm und solche Formate gehören abgeschafft. Die Quote ist, verdammt noch mal, nicht alles. Wie wäre es denn mit Berichten, wie in all den Katastrophenorten weitergeht? Wo sollen die Japaner hin, bei denen wir demnächst "per Zufall" feststellen, das sie keine Lebensgrundlage mehr haben? Wie erhalten Europäer Hilfe, die von Berlusconi verdummt werden? Insofern sagt der Artikel Wahrheit und daß ist unter diesen Bedingungen schon mutig. Ihn als Satire oder witzig auffassen zu wollen, entspricht dem Mainstream.

  • R
    robyn

    der text strotzt aber nun auch nicht so von intelligenz.

    etwas ansehen und wiedergeben kann der autor also. das reicht in der schule schonmal fuer eine gute 4.

    einfach fernseher aus machen und etwas anderes genießen?!

  • E
    Enthüllungsjournalismus

    Ich persönlich find diesen Artikel mäßig witzig. Mh, als Hobbyhumorist meint man: Da hätte man mehr rausholen können. Schließlich bietet die moderne TV-Landschaft genug Raum für Spott, Häme, Parodie und Persiflage und brutal politisch inkorrekte Satire. Aber dennoch schön klar auf den Punkt gebracht, was das Problem der heutigen TV-Landschaft ist, was das Problem der Programmmacher ist: Totale, bedingungslos gnadenlose Stagnation, komplett fehlende Innovation - um jeden Preis.

    Es geht um die Quoten, wie bei allem. Da wird bewusst billiges Scheißfernsehen gemacht, weil es die Leute einschalten.

    Andererseits: Da es kaum noch was anderes als diesen Schmuhdreck gibt, können sie auch nicht anders.

    Und so kommt einem jedes noch neu hinzukommende Format so irre bekannt vor und wirkt wie tausendmal durchgenudelt. Manchmal packt man sich an die Scheelrübe und fragt sich: Was soll denn DAS nun wieder? Wenn da so verzweifelte Verdoofungsversuche unternommen werden mit total abgedreht absurden Formaten. Pfeif auf das deutsche Fernsehen, da tut sich nicht mehr viel. Fiel in den letzten Jahren ganz schön ab der Mist.

    Wer Bildung oder Spannung und Innovation will, der gehe ins Internet, lese Bücher, treffe sich mit interessanten Leuten usw. etc. pp.

  • FN
    Franziska Niesemeyer

    Hahaha, sehr witzig. Selten so gelacht.

  • H
    Hasso

    Hier in der BRD, laufen so viele Intellektuelle rum,dass offensichtlich bei den Zuschauern diese Programme wohl ankommen.Amerikanisches Niveau eben.

  • J
    Jeeves

    Das Foto des Autors ist ironisch gemeint...? Aber bei Euch weiß man ja nie.

  • RH
    Robert Handrow

    "Gute Ideen lassen sich nicht so einfach übers Knie brechen. Der Zuschauer hat da leicht reden."

     

    Das trifft auch auf diesen Artikel zu. Leider.

  • OR
    Oliver R

    Hehe, total crazy, diese Vorschläge. Schade, dass das kein Fernsehsender umsetzen wird ;-)

     

    Im Ernst, könnte lustig sein, aber leider besteht das TV-Programm inzwischen zu gefühlten 50% aus diesen Formaten. Sogar die ÖRs sind schon auf den Zug aufgesprungen.

     

    Ich habe aber auch noch einen tollen Vorschlag: Deutschland sucht den Superkanzler. Auf die Idee ist bestimmt noch keiner gekommen. Öhm, tja, leider doch...

  • F
    Famulus

    Sehr gewagt, Herr Denk. Sehr gewagt. Wo sollen sich denn bitte die passenden Akteure finden lassen? Abgesehen davon: Der deutsche Durchschnittszuschauer würde diesen Qualitätsverlust der Fernsehformate schnell bemerken und die Produzenten durch Nichtbeachtung eben dieser abstrafen.

  • T
    Tim

    Innovativer, origineller Artikel mit noch nie dagewesenen Gedanken.

  • F
    Fred

    Selten etwas überflüssigeres gelesen.

    Im Ernst. Alles ist seit Jahren bekannt und es wird inhaltlich auch rein gar nichts gesagt.

    Und sowas wird auch noch von anderen Webseiten verlinkt. Ich bin entsetzt.