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Kolumne Draußen im KinoVerführt von Filmtiteln und mehr

Kolumne
von Detlef Kuhlbrodt

Berlinale: Wo es langweilig, wo es schön und wo das Publikum am aufmerksamsten ist.

V on weitem ruft der Tagesspiegel-Mann im immer gleichen Rhythmus "der Tagesspiegel", ein paar Meter weiter, vor dem Cinemaxx, hat der Motz-Mann sein Lager aufgeschlagen. Unerwartet, so wie es sein soll, kommt mein erstes Festivalhighlight vorbei. "Dernier étage, gauche, gauche". Angelo Cianci widmet die Aufführung seines Films Jafar Panahi. Es geht um einen Gerichtsvollzieher, der mit Polizisten zu einer Zwangsräumung in ein heruntergekommenes Hochhaus in der Banlieue gekommen ist und eher zufällig zur Geisel wird.

Der Film ist spannend, komisch und schön, die Schauspieler sind klasse. Die Geisel, ein 68er vermutlich, zitiert ständig Che Guevaras Überlegungen zum Partisanenkampf, um sich Mut zu machen, wechselt auf die Seite seiner Bedränger und fühlt sich glücklich für ein paar Momente als Anführer einer Revolution, als die Bewohner Möbel, Fernseher, Kühlschränke aus dem Fenster werfen.

Vom ähnlichen Titel verführt, schaue ich mir den französischen Wettbewerbsfilm "Les Femmes du 6ème Étage" an, der 1960 spielt und von einem reichen Börsenmakler handelt, der sich mit spanischen Dienstmädchen verbündet. Eine Weile bin ich gutwillig amüsiert, weil die meisten Protagonisten so gute Menschen sind, dann ärgere ich mich doch sehr über die holzschnittartigen Typisierungen. Konsensorientierter Sozialkitsch hat sicher seine Daseinsberechtigung, sollte aber nicht im Wettbewerb der Berlinale laufen. Grrr!

"Good Morning to the World!!", der Debütfilm von Hirohara Satoru, passte sehr gut in den Vormittag. Der einzelgängerische Held des Films ist 16, noch nicht ganz zu Hause in der Welt. Jeden Tag spricht er so tagebuchmäßig auf einen Kassettenrecorder. Ein toter Obdachloser führt ihn auf eine jugendlich melancholische Reise. Mit 24 ist Satoru der jüngste Regisseur der diesjährigen Berlinale. Mit 88 ist Jonas Mekas, auf dessen Film ich mich schon freue, der älteste.

Ein bisschen sentimental denk ich an früher. Wie schön es doch war, zwischen den Filmen in der Gegend des Delphi Zeitung zu lesen, Zigaretten zu rauchen, Notizen zu machen und dann, husch, in den nächsten Film. Am Potsdamer Platz ist alles ungemütlich, unruhig und teuer.

Ich bin erleichtert, wieder im Delphi zu sein. Auch im Gedränge ist es hier schön. Dass man hier schlechter sieht, ist nicht schlimm. Die Atmosphäre ist festlich und konzentriert. Hier macht es auch Spaß, sich kompliziert durchgeknallte Sachen anzuschauen, wie den koreanischen Film "Zeitgeist und Engagement" von Kim Sun. Der Held des teils animierten subversiven Films ist ein seltsames Polizeimaskottchen, das gegen ambivalente Ratten kämpft und gegen Ende von einem brennenden Penis attackiert wird. Auch nach dem Filmgespräch versteht man nicht mehr. Macht nichts. Wir rauchen vor dem Kino, finden den Film prima und schimpfen gut gelaunt auf den Potsdamer Platz. Am schlimmsten sind die Pressevorführungen dort. Mit Grauen erinnert sich der Regisseur Philip Scheffner ("Tag des Spatzen").

Der folgende Film, "The Day is Done" von Thomas Imbach, hätte mir auf einer Pressevorführung, glaube, ich nicht wirklich gefallen; hier im Delphi dagegen konnte er sich, getragen sozusagen von einem aufmerksamen Publikum, entfalten.

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