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Kolumne Die ChartsWer leiht mir bitte "Esra" aus?

Die Charts heute mit: Obama, Biller, Smoky ohne Loki - und der Torwartdiskussion.

Die Weisheit des Jahres: "Wenn ich für die Präsidentschaft kandidieren würde, wäre ich auch für den Wandel." George W. Bush in der Weltwoche 06/08.

Bild: marco limberg

Peter Unfried ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Frauen: Falls eine noch immer denkt, es gehe bei der US-Präsidentschaftswahl um symbolpolitischen Fortschritt der Zivilisation durch die erste Präsidentin seit 1789: Ach, Mädchen. Die Frauenfrage ist irrelevant, das Beharren darauf schlicht unpolitisch. Stellen wir uns einfach vor, Laura Bush würde kandidieren. Würde da ein Mensch annehmen, dass es um die Frau geht? Na also. Wie die Bushs sind auch die Clintons keine Frau, sondern eine Politik- und Machtfirma. Damit will ich überhaupt nicht sagen, dass die Clintons schlecht waren. Nur: Sie hatten die 90er. Amerika und die Welt sind heute in der außergewöhnlichen Situation, dass es zwei Kandidaten gibt, von denen man vor einem Jahr nicht zu träumen gewagt hätte: Auf der einen Seite John McCain, auf der anderen Obama. Eine richtig gute Wahl. Ich wollte, wir hätten auch so eine.

Schmerzensgeld: Der Schriftsteller Maxim Biller soll nach dem Urteil eines Landgerichts einer Frau 50.000 Euro Entschädigung zahlen wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte in dem Roman "Esra". Die 50.000 sind Schmerzensgeld dafür, dass sie durch die literarische Verarbeitung "intimer Details" ihres Lebens vor der Welt bloßgestellt werde. Dazu ist zu sagen: Ja, es gibt derzeit problematische Angriffe auf die Privatsphäre - und es ist gut, wenn Richter dafür sensibel sind. Sensibel für Medien und Menschen, die todkranken Prominenten nachspionieren, Kindern auflauern und dergleichen mehr. Das ist ein Problem - nicht die ernst zu nehmende Literatur. Es ist schade, dass sich da nicht mal eine richtig große Nummer mit maximaler Medienaufmerksamkeit hinstellt und sagt, dass es so nicht geht. Oder sich viele Verlage zusammentun und sagen, wo das hinführt. Außerdem: Ich bin Medienschaffender, und noch nicht mal ich kenne die Frau. Ich habe keine Ahnung, inwiefern sie bloßgestellt wurde (mal abgesehen von einer harmlosen Fickschilderung, die man googeln kann). Billers literarische Liebesgeschichte war so schnell verboten, dass sie praktisch keiner lesen konnte. In unserer Bloßstellungsmediengesellschaft muss man eigentlich für 50.000 Euro schon etwas mehr leisten. Ich meine: 50.000 Euro - das ist keine kunsttheoretische Diskussion, das ist echt. Wissen diese Richter eigentlich, wie viele Bücher man dafür verkaufen muss? Entweder man verbietet das Buch (was schon absurd genug ist), oder man ordnet Schmerzensgeld an. Aber dann muss das Verbot aufgehoben werden, damit die Leute es bitte auch kaufen und lesen können. Kann mir einer der wenigen Besitzer bitte "Esra" ausleihen?

Apropos Qualitätsjournalismus: Wie die Wochenzeitung Zeit ihren Herausgeber, den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, 89, hartnäckig als Raucher-"Ikone" verramscht, das hat schon etwas. Etwas Unappetitliches.

Torhüterdiskussion: Mal abgesehen davon, dass Jens Lehmann (Arsenal) sowieso die Nummer 1 ist und nach der Europameisterschaft René Adler kommt - die derzeitige Torhüterdiskussion in Deutschland muss trotzdem sein. Auch beim Fußball ist, wie bei seinem Verwandten, dem Sex, das Reden und Nachdenken darüber ja bekanntlich das Beste. Und dann kommen noch wichtige Informationen ans Licht: Wer hätte denn ernsthaft gedacht, dass Tim Wiese (Werder) nur einmal die Woche ("15 Minuten") ins Sonnenstudio geht?

Die Charts im Februar:

Song: "Looking for a leader" - Neil Young. Wurde 2006 als "naiv" verspottet. Enthielt damals schon die schöne Zeile: "Maybe it's Obama".

Wortspiel: "Zumwinkel-Advokat". Für den Rechtsbeistand des Ex-Postchefs.

Torhüter: Diego Benaglio (Schweiz und VfL Wolfsburg). Nicht so gebräunt wie Wiese, aber dafür modern.

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