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Kolumne Das besondere Fußball-LexikonSchatzmeister, der

24 Jahre machte der Schatzmeister seinen Job nun schon. Manchmal fragte er sich: Warum?

Zufrieden strich der Schatzmeister erst den Stapel mit den blauen D-Mark-Scheinen glatt, dann den mit den braunen. Er tätschelte die grünen Scheine und die kleinen blauen, die ihm immer wieder am besten gefielen. Erstaunlicherweise lag sogar ein Tausender auf dem Tisch, welcher Kassierer hatte den eigentlich angenommen? Der Kassenwart am Nebentisch stapelte die Geldmünzen in Zigarrenkästen zu kleinen Türmen auf und begann sie in Papier zu rollen. Der Schatzmeister wunderte sich immer wieder, wie geschickt er sich dabei anstellte.

Von draußen konnte man das Gelächter der dreizehntausend Zuschauer hören, als der Stadionsprecher durchgab: "… bedanken wir uns heute bei zehntausend Besuchern." Aber sollten sie doch lachen, Hauptsache der Mann vom Finanzamt wunderte sich nicht, dass in der Zeitung höhere Zuschauerzahlen als auf der Steuererklärung des Klubs standen. Wenn sie das so bekanntgaben, machte er sich keine Gedanken und kam nicht darauf, dass einige Serien der durchnummerierten Rollkarten doppelt gedruckt worden waren.

Cristoph Biermann

liebt Fußball und schreibt darüber.

24 Jahre machte der Schatzmeister seinen Job nun schon. Manchmal fragte er sich: Warum? Und kam immer auf die gleiche Antwort: Er hatte sein Amt gerne, weil es zwei Wörter beinhaltete, die er gern mit sich verband: Schatz und Meister. Die silberne Ehrennadel trug er am Revers, bei der nächsten Jahreshauptversammlung im kommenden Herbst würde er die goldene bekommen, und die Vorstellung der feierlichen Übergabe gefiel ihm ebenfalls. Er drückte die Zigarette im schweren Kristallaschenbecher aus und überlegte wie bei jedem Heimspiel, wo er das Schwarzgeld deponieren sollte. Die Einnahmen für gut zehntausend Besucher steckte der Kassenwart in die silbernen Kassetten, die wie Butterbrotboxen aussahen und warf sie bei der Bank ein. Den Rest nahm der Schatzmeister wie immer mit nach Hause.

Er hatte die Idee, sich immer was Neues einfallen zu lassen, und von einem Vereinspräsidenten aus Süddeutschland gehört, der das Schwarzgeld seines Klubs hinter der Heizung im Partykeller deponierte. Aber das ließ ihn schaudern, denn vor seinem geistigen Auge erschien ein zusammengeschmolzener Klumpen Geldscheine, auch wenn das eigentlich nicht möglich war. Bei Hertha BSC hatten sie es mal in einen Sarg gesteckt und waren damit in die Bundesligageschichte eingegangen. Er selber hatte vor Jahren fünfzigtausend Mark in einer großen Tüte mit Hundekuchen versteckt, doch dann hatte sein Kollege von Eintracht Braunschweig ihm den Stürmer wegen des Geruchs fast nicht verkaufen wollen. Ein andermal hatte er ein paar Zehntausend im Garten vergraben und, als dann im Winter klirrende Kälte einsetzte, sie aus dem tiefgefrorenen Boden fast nicht mehr rausbekommen.

Draußen pfiffen die Zuschauer, und man hörte über die quäkigen Lautsprecher, dass der Trainer den Mittelstürmer ausgewechselt hatte. Der Schatzmeister stöhnte und stopfte sofort ein paar von den großen Blauen in einen Umschlag mit Sichtfenster. Er würde dem Star des Vereins, dessen beste Tage aber auch schon etwas länger zurücklagen, sein Geld morgen früh geben, dann war in der nächsten Woche beim Training wenigstens Ruhe.

Der Kassenwart zählte die Münztürmchen und verschob auf dem Abakus behände die Holzkugeln. Wie oft hatte der Schatzmeister ihm schon angeboten, einen dieser schönen Taschenrechner, auf denen die Zahlen grün leuchteten, zu kaufen, aber jedes Mal war das abgelehnt worden. Der Kassenwart sagte ihm eine Zahl, der Schatzmeister nickte und griff noch einmal beherzt die Geldstapel ab, zählte nach und steckte die Scheine in die Plastiktüte, in der das Duftwasser steckte, das er seiner Frau morgens vor dem Spiel in einer örtlichen Parfümerie gekauft hatte. Das wars: Sie sollte das Geld diesmal einfach in der Küche aufbewahren, am besten im Vorratsschrank hinter den Eiernudeln. Draußen wurde noch lauter gepfiffen, das Spiel war vorbei. Er hatte Hunger, es war Zeit, nach Hause zu gehen.

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