Kolumne Das Content Department: "Blut floss auf Joschkas weißes Hemd"
Die Charts heute mit Folge IX von "Das Content Department", einem blutigen Joschka und Neil Diamond.
Zwei Jahre waren vergangen, seit dem Tag, an dem der Ressortleiter um 8.51 Uhr das Content Department betreten hatte und Mies an seinem Schreibtisch vorfand. Mit diesem selig-idiotischen Grinsen im Gesicht. Das war von jeher ein sicheres Zeichen, dass er an Angelina Jolies Mund dachte. Da war sich Kern sicher. Wenn keiner einschritt, würde sein verfetteter Stellvertreter gleich mit einem jaulenden Stöhnen beginnen. Kern war sich ziemlich sicher, dass Oralverkehr überschätzt wurde. Im Übrigen war das für Dorothea auch nicht in Frage gekommen. Damals.
Peter Unfried ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
An jenem Tag hatte Mies ihm um 8.52 Uhr immer noch grinsend eröffnet, dass der Chefredakteur ihn in das Zimmer des Geschäftsführers rufen lasse. Bzw. umgekehrt. Kern hatte sofort Dorothea angerufen. Sie stöhnte wie Mies, wenn er an Angelina Jolie dachte. Dann sagte sie ihm, wie viel er verlangen musste, dass er danach den zweitbilligsten Champagner kaufen sollte und sie sich noch am selben Abend eines dieser neuen Townhouses in der Nähe des Gendarmenmarktes anschauen würden. Ach, Dorothea. Alle, die sich von ihrer Hässlichkeit blenden ließen, hatten keine Ahnung.
Kern zupfte am Kragen seines Jogi-Hemdes. Hatte 169 Euro gekostet. Wahnsinn. Aber bald würden sie die Hemden bei Strenesse auch für ihn maßanfertigen. Tja. Wahre Leidenschaft führte eben immer irgendwie zum Erfolg. Das hatte er bei Verona Pooth gelesen.
Kern war dann doch ein bisschen überrascht, als er nach dem Gespräch wieder draußen vor der Tür stand. Dass noch einmal 200 Leute rausflogen, damit die Distribution des Contents qualitatitiv effizienter gestaltet werden konnte? Daccord. Das war ja in Zeiten der Globalisierung eine alternativlose Gerechtigkeitsinnovation. Aber dass er selbst zu denen gehörte, die rausflogen, fand er dann doch etwas übertrieben.
Seit diesem Tag leitete Mies das Content Department. Allein. Alles war schlank geworden. Das Department, der Content. Selbst Mies hatte abgespeckt, wie Kern unlustig erkennen musste, wenn er angeschlichen kam, um nicht immer allein heulen zu müssen. Noch schlimmer: Als er Mies mal um einen Schnaps bat, versicherte Mies glaubhaft, er habe gar keinen.
Zunächst wollte Kern es dem Chef zeigen und weiter oben unterkommen. Er würde einfach mal seine Kontakte spielen lassen. Aber dann hatte er festgestellt, dass er keine hatte. Nach einem Jahr, da lebte er längst in diesem Einzimmer-Apartment in der Pflügerstraße, wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das war bei der Ipf- und Jagstzeitung.
Dort lasen sie ihm einen seiner vielen Texte vor, die er über einen gewissen "Steinmeier" geschrieben hatte. Es war ein flammendes Plädoyer, dass dieser Politiker eine bestimmte Partei retten müsse und könne. "Steinmeier?" Die schnuffige Sekretärin von der Ipf- und Jagstzeitung kicherte. "Ha no, jetzadle aber." Dann sagte sie ihm, er solle ja bloß keine Fahrtkosten einreichen, und schickte ihn weg.
Die Charts im Juli:
Beikoch des Monats: Minou Fischer und ihr Mann haben die Siebecks zum Essen eingeladen. Doch dann fließt Blut. Im aktuellen Stern berichtet sie: "Das Kochen lief problemlos, bis auf einen tiefen Schnitt im Finger meines Mannes beim Würfeln des Störfilets. Gerechte Strafe für den feigen Beikoch! (Ihr Mann hatte nicht selbst kochen wollen, Anm. der Red.) Erschütternde Mengen Blut flossen slapstickartig auf Joschkas gerade zugeknöpftes weißes Hemd. Da klingelte es an der Tür. Joschka und ich waren noch bei der Notoperation im Bad."
Pop: Neil Diamond. Aber selbstverständlich nicht der späte, von Rick Rubin produzierte. "No Words" usw. vom neuen Album "Home Before Dark" sind okaye Songs, aber die Heavy Rotation des iPod sagt die Wahrheit. 1. "September Morn", 2. "Yesterdays Songs", 3. "Forever In Blue Jeans", 4. "You Dont Bring Me Flowers" (mit Barbra Streisand), 5. "Sweet Caroline".
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