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Kolumne BlagenZu oll fürs Gymnasium

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Wenn es um ihr Auto geht ist die Autorin selbst ihrer Tochter gegenüber unnachgiebig: Wer meine treue Seele beleidigt, bekommt Probleme mit mir.

K alt ist es und windig. Draußen vor der Tür rupft der Wind die Birkenblätter von den Zweigen, und gerade setzt der schräge Herbstregen ein. Die Einssechzigblondine kommt zu mir an den Schreibtisch. Sie hat ihren Kannste-ruhig-mal-machen-Blick aufgesetzt und fragt mich, ob ich sie zum Training fahren könne. Bitte. Den Autoschlüssel hält sie schon in der Hand.

"Nö", sage ich, "ich hab zu tun. Setz dir ne Pudelmütze auf und fahr mit dem Rad." "Menno!", mault die kleine Sportlerin, "hast du mal rausgeguckt, was da los ist? Sechs Grad und Regen, Pfützen und Nässe. Du sagst doch immer, ich soll auf meine Gesundheit achten, komm schon, das mit dem Auto würde doch nur ein paar Minuten dauern."

Natürlich stimmt das. Selbstredend würde es nur ein paar Minuten dauern, die Einssechzigblondine gesundheitsschonend quer durch die Kreisstadt zu kutschieren, damit sie dort das Vereinswesen mit Leben erfüllt. Aber ich habe keine Lust dazu. Denn die Abituranwärterin hat gestern mein Auto beleidigt. Meinen Skoda, eine treue Seele, die in vierzehn Jahren 192.867 Kilometer runtergerissen hat, den einen oder anderen Lackschaden aufweist, abgerockte Polster hat und immer mal wieder muckt. Der aber - eben - mein Auto ist. Das Auto, dem ich, wenn's keiner sieht, schon mal nach einer Fünfhundertkilometertour zärtlich übers Armaturenbrett streiche und sage: "Gut gemacht!"

Bild: privat
Anja Maier

ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

Die Einssechzigblondine hingegen steht nicht auf alte Werte. Sie hält meinen Skoda für ein ästhetisch untragbares, fast schon armseliges Fortbewegungsmittel. Wie sie darauf kommt? Sie macht gerade Fahrschule. Für stattliche 28 Euro steuert sie dort einmal pro Woche einen 5er BMW durch die Straßen der Kleinstadt. Fünfundvierzig Minuten dauert so eine Fahr"stunde", in der sie sich in den beheizten Ledersitz begibt, das Mahagonilenkrad ergreift und bei schnurrendem Motor ihre Bahnen zieht.

Hat sie das Gefühl, ein entgegenkommendes Fahrzeug käme ihr zu nah, übernimmt ihr Kumpel, Fahrlehrer Frankie, das Steuer. Und wenn die beiden rückwärts einparken üben, piept allerlei elektronisches Gerät, sobald ein Baumstumpf, ein Verkehrsschild oder eine vergessene Mülltonne im Weg stehen könnten.

Mein Skoda stellt bei diesem Angebot eine für sie im Grunde unannehmbare Möglichkeit der Fortbewegung dar. Bremsen, die man tief durchtreten muss, eine Kupplung, die ordentlich Gas braucht beim Losfahren, und im Handschuhfach lagern keine Handschuhe, sondern alte Ersatzglühlampen und Lappen, mit denen ab und zu die Heckscheibe abgewischt wird, weil wieder mal die Putzmitteldüse verstopft ist. Mit solch einer Karre, hat die Einssechzigblondine gestern gesagt, werde sie nach bestandener Fahrprüfung nicht ins Gymnasium fahren. Dieses Auto sei nicht vorzeigbar.

Auf die Idee, dass ich sie nach einer solchen Beleidigung nicht einmal in die Nähe des Autos lassen würde, kommt sie seltsamerweise nicht. Aber so ist es. Da kann sie sich von mir aus auf ihrem verdreckten Fahrrad ein- und durchregnen lassen. Aber das weiß sie noch nicht. Und ich Schwachkopf zahle Woche für Woche 28 Euro an Frankie. Einssechzig pro Minute. Mit dem Geld könnte ich endlich mal Skodas Putzmitteldüse reinigen lassen. "Ab", grummele ich, "troll dich zum Training! Kein Skoda für Snobs!"

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

4 Kommentare

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  • F
    FrauTausBanderS

    Haha, mal wieder gut gelacht! Sie sollten über eine Kolumnensammlung nachdenken...

     

    An dieser Stelle noch einen kleinen Dank, Ihr neuestes Buch ist immer wieder ein amüsanter Rettungsanker für eine Endzwanzigerin mit Kleinkind am Helmi.

  • KS
    Klaus Söndgen

    Frau Maier, ich liebe Ihre Kolumne.

    Die Pubertistin war ja schon immer mein besonderer Liebling, aber die 1,60-Blondine toppt sie noch.

    Aber wussten Sie, das Skoda auf Deutsch Schaden heißt?

    Trotzdem: Wer sein Auto liebt, erniedrigt es nicht mit dem Chauffieren der verwöhnten Tochter.

  • D
    docvonstock

    Eine unerwartete Variante des Themas "Mama-Taxi". Normalerweise bringen die Supermuttis ihre Lustprodukte stets zur Schule, wobei sie keine Rücksicht darauf nehmen, ob sie mit ihrem Gefährt die Zufahrtsstraße oder Bushaltestelle komplett blockieren. Hauptsache IHR Kind muss keinen Schritt zuviel in der unwirtlichen Welt laufen. Sie würden am liebsten, wie rumänische Securitate-Offiziere bei dem Klauen von Bankautomaten, rückwärts in das Klassenzimmer fahren. Ich erwarte eigentlich nur noch, dass ein Antrag zur Einrichtung einer Rampe vor dem Haupteingang der Schulkonferenz vorgelegt wird. Am Besten mit Videokamera, damit die Freundinnen auch sehen, was für eine vorbildliche Mama gerade ihre geliebte Celine-Eusebia zur Schule bringt.

     

    Ein trauriges Kapitel, da macht die Glosse richtig Mut.

  • FN
    Floda Nashir

    62 Cent pro Minute. Aber macht es das besser?