Kolumne Blagen: Nasty Anja vs. Shirty Blonde
Familienfrühstück? Wir machen das wie Rapper!
B eef haben. So heißt das, was die Einssechzigblondine mit uns, ihren Eltern, zu laufen hat. Beef haben. Ich weiß das, weil ich extra noch mal nachgefragt habe. Jetzt weiß ich Bescheid. Und das kommt so.
Samstagvormittag. Der Vater und ich beschließen, nach Monaten des wochenendlichen Aneinandervorbeiplanens ein gemeinsames Frühstück ins Werk zu setzen. Es wird Macchiato gebraut und Tee gekocht, das gute, aus der Stadt mitgebrachte Biobrot wird aufgeschnitten, die angegilbte Butter hingestellt, gleich neben die Nutella, den Tüten-Parma und den Industriekäse. Ein Mehr an Lebensqualität gibt unser Zeit- und Konsummanagement einfach nicht her. Aber: immerhin Frühstück.
Dann zwingen wir die Einssechzigblondine aus ihrem Lotterbett, um aus unserer Pärchen- eine Familienqualitätszeit zu zaubern. Sie dankt uns diese Einladung auf ihre Weise. Sie senkt ihre kajalverschmierten Wimpern auf Halbmast, schmiert sich ein Nutellabrot, beißt rein, mümmelt und grummelt und schweigt. Um ihren Kopf fließt deutlich sichtbar eine gelblichgrüne Aggressions-Aura.
ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
Nach zwei Minuten schießt der Vater eine Rakete hinüber: "Hast du was?" – "Was soll ich denn haben?", fragt sie zurück. – "Ich sehe doch, das passt dir hier schon wieder nicht. Wenns so schlimm ist, mit uns hier zu sitzen, gehst du am besten gleich wieder in dein Bett."
Ich tue nun etwas völlig Unsinniges. Ich sage: "Geht's vielleicht auch mal ohne Streiten?" Ich lächle matt. Es ist das kreuzbrave Winseln um einen Happen Harmonie, um innerfamiliäre Kommunikation und zehn Minuten Frieden. Darauf haben die beiden nur gewartet. "Ich hab doch nichts gemacht!", zischt die Einssechzigblondine (was objektiv stimmt, aber - eben! - auf keinen Fall subjektiv). Und der Vater wirft mir einen seiner langen "Also ein bisschen Loyalität wäre nicht schlecht, Frau Maier!"-Blicke zu. "Ich mein ja nur …", funke ich zurück. Ich weiß, die Sache ist bereits verloren.
Die Einssechzigblondine grummelmümmelt, der Vater und ich haben noch einen intensiven Blickkrieg, der unentschieden ausgeht. Letztlich schnappen wir uns die Zeitungen, in denen an diesem Wochenende allerlei Kluges über urbane Familienentwürfe im Zeitalter des heteronormativen Cocoonings steht. Wir blättern, schmatzen und schlürfen, im Hintergrund spielen Erdmöbel. Und schließlich schiebt die Einssechzigblondine ihren Stuhl zurück und verschwindet, ihre planlosen Eltern verwünschend, wieder im Lotterbett. Exakt zehn Minuten hat das gedauert.
Der Vater und ich denken: Scheiße, warum können wir mit unserer Tochter nicht mal mehr lausige zehn Minuten am Tisch sitzen und ein stinknormales Gespräch führen? Warum sind wir nicht in der Lage, den innerfamiliären Trialog auf erwachsene Weise einzuleiten, durchzuführen und für einen für alle, auch die Einssechzigblondine, befriedigenden Verlauf zu sorgen?
Ich gehe rüber in das Zimmer des (tatsächlich heiß geliebten) Kindes und stelle ihr die Frage: "Warum halten wirs nicht mal mehr zehn Minuten miteinander aus?" Sie guckt mich aus schon wieder schläfrigen Augen an. "Weil wir dauernd Beef haben, Mama." – "Beef?", frage ich. Ich will jetzt nichts falsch machen. – "So heißt das, wenn sich Rapper streiten. Aber keine Angst, wir sind ja nicht bewaffnet." Alles klar. Nur Beef. Kein Krieg. Fein.
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