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Kolumne BlagenNasty Anja vs. Shirty Blonde

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Familienfrühstück? Wir machen das wie Rapper!

B eef haben. So heißt das, was die Einssechzigblondine mit uns, ihren Eltern, zu laufen hat. Beef haben. Ich weiß das, weil ich extra noch mal nachgefragt habe. Jetzt weiß ich Bescheid. Und das kommt so.

Samstagvormittag. Der Vater und ich beschließen, nach Monaten des wochenendlichen Aneinandervorbeiplanens ein gemeinsames Frühstück ins Werk zu setzen. Es wird Macchiato gebraut und Tee gekocht, das gute, aus der Stadt mitgebrachte Biobrot wird aufgeschnitten, die angegilbte Butter hingestellt, gleich neben die Nutella, den Tüten-Parma und den Industriekäse. Ein Mehr an Lebensqualität gibt unser Zeit- und Konsummanagement einfach nicht her. Aber: immerhin Frühstück.

Dann zwingen wir die Einssechzigblondine aus ihrem Lotterbett, um aus unserer Pärchen- eine Familienqualitätszeit zu zaubern. Sie dankt uns diese Einladung auf ihre Weise. Sie senkt ihre kajalverschmierten Wimpern auf Halbmast, schmiert sich ein Nutellabrot, beißt rein, mümmelt und grummelt und schweigt. Um ihren Kopf fließt deutlich sichtbar eine gelblichgrüne Aggressions-Aura.

Bild: privat
Anja Maier

ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

Nach zwei Minuten schießt der Vater eine Rakete hinüber: "Hast du was?" – "Was soll ich denn haben?", fragt sie zurück. – "Ich sehe doch, das passt dir hier schon wieder nicht. Wenns so schlimm ist, mit uns hier zu sitzen, gehst du am besten gleich wieder in dein Bett."

Ich tue nun etwas völlig Unsinniges. Ich sage: "Geht's vielleicht auch mal ohne Streiten?" Ich lächle matt. Es ist das kreuzbrave Winseln um einen Happen Harmonie, um innerfamiliäre Kommunikation und zehn Minuten Frieden. Darauf haben die beiden nur gewartet. "Ich hab doch nichts gemacht!", zischt die Einssechzigblondine (was objektiv stimmt, aber - eben! - auf keinen Fall subjektiv). Und der Vater wirft mir einen seiner langen "Also ein bisschen Loyalität wäre nicht schlecht, Frau Maier!"-Blicke zu. "Ich mein ja nur …", funke ich zurück. Ich weiß, die Sache ist bereits verloren.

Die Einssechzigblondine grummelmümmelt, der Vater und ich haben noch einen intensiven Blickkrieg, der unentschieden ausgeht. Letztlich schnappen wir uns die Zeitungen, in denen an diesem Wochenende allerlei Kluges über urbane Familienentwürfe im Zeitalter des heteronormativen Cocoonings steht. Wir blättern, schmatzen und schlürfen, im Hintergrund spielen Erdmöbel. Und schließlich schiebt die Einssechzigblondine ihren Stuhl zurück und verschwindet, ihre planlosen Eltern verwünschend, wieder im Lotterbett. Exakt zehn Minuten hat das gedauert.

Der Vater und ich denken: Scheiße, warum können wir mit unserer Tochter nicht mal mehr lausige zehn Minuten am Tisch sitzen und ein stinknormales Gespräch führen? Warum sind wir nicht in der Lage, den innerfamiliären Trialog auf erwachsene Weise einzuleiten, durchzuführen und für einen für alle, auch die Einssechzigblondine, befriedigenden Verlauf zu sorgen?

Ich gehe rüber in das Zimmer des (tatsächlich heiß geliebten) Kindes und stelle ihr die Frage: "Warum halten wirs nicht mal mehr zehn Minuten miteinander aus?" Sie guckt mich aus schon wieder schläfrigen Augen an. "Weil wir dauernd Beef haben, Mama." – "Beef?", frage ich. Ich will jetzt nichts falsch machen. – "So heißt das, wenn sich Rapper streiten. Aber keine Angst, wir sind ja nicht bewaffnet." Alles klar. Nur Beef. Kein Krieg. Fein.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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3 Kommentare

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  • G
    Geneviève

    Ich frage mich schon seit längerem, ob die Inhalte dieser Kolumne vielleicht gar nicht fiktiv sind und aus dem Leben mit echten Kindern/Jugendlichen geplaudert wird. Was, wenn z.B. Mitschüler derart persönliche Informationen lesen - und ist sichergestellt, das bei so viel "beef" die"Shirty Blonde" trotzdem mit einer Veröffentlichung einverstanden ist? Oder hängt die Zahlung ihres Taschengeldes evt. von einer Einverständniserklärung ab? Bitte klären Sie auf, Frau Maier!

  • S
    Steffi

    Also jemanden erst zwingen zu kommen und sich dann anschließend wundern, dass er nicht freiwillig da ist -

    ob es das ist, was man unter Glaubwürdigkeit versteht....

     

    Positiv fällt mir allerdings auf, dass inzwischen ausdrücklich Erwähnung findet, dass den Industriekäse die Eltern selber eingekauft haben, in einem der älteren Texte wurde ja suggeriert, das wäre quasi der Inkonsequenz des Nachwuchses geschuldet.

     

    Was mich mal ehrlich interessieren würde:

    So lange wie die Tochter laut dieser Kolumne ein fortgeschrittener Teenager ist, müsste die doch langsam mal volljährig sein, oder?

    Geh ich da recht in der Annahme?

  • K
    Kathi

    Ich liebe Ihre herrlich ehrliche Kolumne!