Kolumne Besser: „Ich weiß nicht, was im Netz steht“
Die Mehrheit der Baden-Württemberger ist laut Emnid gegen Stuttgart 21. Vor drei Wochen war laut Emnid die Mehrheit dafür. Wie das? Eine Nachfrage bei den Umfragern.
G uten Tag. Ich hab' da mal 'ne Frage. Ihre Kollegin sagte mir, dass Sie zuständig sind. Und zwar: Ich hab' gelesen, dass nur noch 39 Prozent der Baden-Württemberger für den Bau von Stuttgart 21 sind. Ist das richtig?
Haben Sie die Medien verfolgt?
Ja.
Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die wir durchgeführt haben zu der Fragestellung, die wir gestellt haben.
Ich habe die Medien verfolgt, ich verfolge die immer. Deswegen hab' ich noch mal nachgeschaut und gesehen, dass Sie schon Anfang Februar eine Umfrage veröffentlicht haben. Und da hieß es, dass 62 Prozent der Baden-Württemberger für den Bau von Stuttgart 21 sind. Da stimmt doch was nicht, oder?
Erstens: Wir veröffentlichen nicht, sondern unsere Auftraggeber. Zweitens war das eine andere Fragestellung. Drittens ist mittlerweile ja etwas Zeit ins Land gegangen, bezüglich der Kosten des geplanten Projektes. Viertens ist die Stichprobe diesmal deutlich größer. Damals war es nur ein Ausschnitt aus einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage bundesweit.
Aber die Kostendiskussion war doch Ende 2012.
Das weiß ich nicht. Also ich glaube nicht, dass es … Die Diskussion konkret war eigentlich … vor ein oder zwei Wochen ging die los. Als wir die Umfrage für N24 gestellt haben, fing das gerade an in den Medien. Das ist aber noch nicht zitiert worden in anderen ...
Aber N24 hat …
Das sind einfach zwei Ergebnisse, die bezogen auf die Fragestellung, bezogen auf den Zeitraum so sind, wie sind.
Aber war die Frage nicht immer die gleiche: Dafür oder dagegen?
Nein, nein.
Sondern wie?
Müsste ich kucken. Steht ja alles im Netz. Habe ich jetzt nicht im Kopf. Müssten Sie kucken, die Fragestellungen sind doch alle im Netz verfügbar.
Es gibt es ja immer Abweichungen, je mehr man fragt. Aber so viel? Wenn man sich die Zahl ankuckt, wie viele gegen den Bau sind, da ist die Zahl ja von …
Kucken Sie sich die Fragestellungen an und dann… Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist das Ergebnis zur jeweiligen Fragestellung; zur Stichprobe, die wir durchgeführt haben. Die ältere Stichprobe basierte de facto auf, also auf … Der Anteil Baden-Württembergs ist, sage ich mal – ich habe das nicht im Kopf – ich sage mal 13 Prozent an der Gesamtpopulation in Deutschland, ja? Das heißt das Ergebnis mit den 60 Prozent oder um den Dreh, das basierte auf ungefähr 130 Befragten. Das Ergebnis jetzt fußt auf, glaube ich, auf 1.500 Befragten.
Und es ist nicht so, dass Sie für N24 ein anderes Ergebnis liefern als für die taz?
Das ist eine deutliche Unterstellung, die Sie machen.
Entschuldigung, ich frage.
Aber ich wiederhol' mich jetzt zum dritten Mal. Es sind mehrere Effekte: Erstens eine andere Fragestellung. Zweitens war in diesen Wochen sehr viel in den Medien über die Kostenexplosion in Stuttgart 21. Drittens: Die Stichprobe ist diesmal eine andere. Sie ist deutlich größer, das heißt, die Zahlen sind deutlich valider – ja, also diese drei Punkte.
Aber im Netz steht …
Ich weiß nicht, was im Netz steht, ich bin kein Journalist. Ich kann nur sagen: Die Fragestellung, wie sie existiert, ist im Netz verfügbar.
Da steht: Für oder gegen den Weiterbau. Das ist doch zweimal dieselbe Fragestellung.
Nee, da müssen Sie sich ein bisschen genauer informieren. Ich weiß nicht, welches Medium Sie gerade nehmen. Sie müssen schon die originäre Quelle nehmen.
Und wie ist die Fragestellung jetzt?
Dafür oder dagegen.
Nein, so war die Fragestellung diesmal nicht. Gehen Sie auf die taz-Seite, da werden Sie die originale Fragestellung finden.
Aber da steht auch: Dafür oder dagegen.
Nein.
Sondern? Das habe ich gelesen: Dafür oder dagegen.
Gut, also wenn das so ist, isses so. Ich kann nur sagen: In der taz ist die Fragestellung explizit erwähnt zu diesen Fragestellungen. Die Fragestellung ist nicht nur dafür oder dagegen, die Fragestellung ist natürlich etwas länger.
Ach so: Wenn man länger fragt, gibt es ein anderes Ergebnis?
Na ja, kucken Sie einfach, tut mir leid, also.
***
Besser: Nachkucken. Und bei der Sache mit den 130 Befragten noch mal nachfragen.
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