Kolumne Bangkok: Rap auf dem WC
In Bangkok ist es schier unmöglich, dem Lärm zu entkommen. Die "Stadt der Engel" ist eine der lautesten Metropolen der Welt. Nicht mal auf dem Klo hat man seine Ruhe.
B angkok ist bunt, quirlig - und laut. Wenn ich in den vergangenen acht Jahren eines gelernt habe, dann das: Dem Lärm kann ich nicht entkommen. Wahrscheinlich ist die "Stadt der Engel" eine der lautesten Metropolen der Welt. In den dutzenden von Kaufhäusern plärrt aus jedem der dicht aneinandergereihten Läden eine andere Musik. Völlig egal, ob man dabei noch sein eigenes Wort versteht. Melodien für Millionen Kunden ist das Motto. Zum Einkaufen und Verweilen lädt das aber kaum ein, eher zur Flucht.
Nicht einmal auf den sprichwörtlichen "ruhigen Örtchen" kann man verschnaufen. Auch dort werden Männlein und Weiblein mit Videos auf Breitbildschirmen oder Diskoklängen zugedröhnt. Und sich beschaulich mit dem Skytrain, der elektrischen Hochbahn, durch die City fahren zu lassen, ist auch passé, seit das Management Fernseher in den Waggons installieren ließ. Auch auf den Gleisen gibt es kein Entkommen vor Musik und Werbeslogans. Alle paar Sekunden klingelt außerdem irgendein Handy - oft muss man reinbrüllen, um überhaupt verstanden zu werden.
Nicht zu vergessen der Bangkoker Verkehr: Aus etlichen Auspuffrohren, die ohrenbetäubend knattern, dringt schwarzer Qualm - dem deutschen TÜV würden hier die Haare zu Berge stehen. Der hiesige Bauboom setzt dem Ganzen die Krone auf. Oft sind Presslufthammer und Ramme einen Großteil der Nacht im Einsatz, und das sieben Tage die Woche. Das geht so lange gut, bis die genervten Anwohner in Schlafanzügen auf den Baustellen auftauchen und sich - gegen den Krach anbrüllend - Ruhe ausbitten oder mit Klage drohen.
Nicola Glass ist Thailandkorrespondentin der taz.
Ich zum Beispiel habe die massive Lärmbelästigung durch zwei in der Nähe meiner Wohnung gelegenen Großbaustellen nur deshalb einigermaßen überstanden, weil mir meine freundliche Vermieterin Fenster mit einer Doppelverglasung einbauen ließ.
Der ewige Lärm nervt nicht nur immens, er macht auch krank. Studien haben ergeben, dass die Bangkoker zunehmend gestresst sind und vermehrt unter Kopfschmerzen oder Hörschäden leiden. Trotzdem beschwert sich öffentlich kaum jemand darüber.
Lediglich kleine Gruppen machen mobil: Neulich habe ich im Internet etwas über den "Club Ruhiges Bangkok" gelesen. Dessen Mitglieder ziehen durch die Stadt und messen den vielerorts ohrenbetäubenden Geräuschpegel. Doch offensichtlich hat der Klub eine zu schwache Lobby, um auf sich und sein Anliegen aufmerksam zu machen. Die Politik hat bisher jedenfalls nicht signalisiert, dass sie ernsthaft etwas gegen den Lärm unternehmen will.
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