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Kolumne B-NoteWodka Goal, Flüche, Schweden-Jubel

Kolumne
von Barbara Oertel

Die ukrainische Botschaft in Berlin lädt für das Gruppenfinale zum Public Viewing. Bei Kohlrouladen und einheimischen Bier geht es trotz Ausscheiden locker zu.

D ie Ukraine hat in ihrer Geschichte schon viele Schicksalstage erlebt. Am Dienstag ist es mal wieder so weit. Die Nationalmannschaft muss in Donezk antreten. Ausgerechnet Donezk! Die Stadt steht sowieso unter einem unguten (roten) Stern, weil das Team von Oleg Blochin hier noch nie etwas gerissen hat.

Auch die ukrainische Botschaft in Berlin hat den historischen Moment offenbar erkannt und zu einem Public Viewing eingeladen. Ab 19.30 Uhr und „um strittige Strafraumszenen sowie passives Abseits bei einem Imbiss und Getränken zu diskutieren“, wie es in der Einladung heißt.

Einige Mitarbeiter der Vertretung sind in die knallgelb-blauen Trikots ihrer Elf geschlüpft. Einer von ihnen unterhält sich mit zwei Gästen, die im Hof der Botschaft vor dem Anpfiff noch schnell ihren Nikotinspiegel auf Höhe bringen, über die Kiewer Trainerlegende Waleri Lobanowski.

Der sei leider früh gestorben, aber so ergehe es vielen Männern in der Ukraine. Deshalb sei es auch sinnlos, über eine Erhöhung des Rentenalters nachzudenken, sagt er. Im ersten Stock, dem Raum der Liveübertragung, ist reichlich angerichtet: Häppchen mit Salami, Hering und Lachs, Fischspieße sowie Golubzy („Täubchen“) – landestypische Kohlrouladen.

BARBARA OERTEL

ist Co-Leiterin des Auslandsressorts der taz und zuständig für die Osteuropa-Berichterstattung. Genau darum kümmert sie sich auch im EM-Team.

„Vorglühen“ mit dem Wässerchen

Neben Saft und Wasser sind auch Obolon, ukrainisches Bier, und Wodka mit einem „Goal“-Aufkleber im Ausschank. Der Gesandte der Botschaft in Anzug und Schlips lädt die Anwesenden zum „Vorglühen“ mit dem Wässerchen ein. Und zum Daumendrücken für die Mannschaft, obwohl hier niemand wirklich an einen Sieg glaubt.

Alles Nieten eben, wie auch Oleg Blochin sagt, außer Schewschenko, und der läuft nicht auf. Die ukrainische Hymne erklingt. Alle sind still und stehen stramm. Nur die wenigen Gäste tuscheln. Erste Halbzeit. Die Ukrainer schlagen sich wacker. Sie werden sogar von Timoschenko unterstützt.

Doch die inhaftierte Oppositionsführerin hat nicht etwa Freigang, sondern wird vom Kommentator mal eben mit dem Mittelfeldspieler Timoschtschuk verwechselt. 0:0 zur Pause. Macht nichts, die Gelb-Blauen haben immerhin eine passable Vorstellung abgeliefert.

Kurz nach dem Wiederanpfiff. Wayne Rooney köpft die Engländer in Führung. Durchatmen bei den Ukrainern. Jetzt erst recht ein weiteres Glässchen Goal-Wodka, der schon vorher reichlich geflossen ist. Vielleicht geht ja doch noch etwas.

Schweden wird bejubelt

Dann die 69. Minute. Ein Tor für die Ukrainer wird nicht gegeben. Kurze Schockstarre im Saal. „Job tvoju mat!“ („Fick deine Mutter!“), zischt einer, doch die kann jetzt auch nicht helfen.

Das Spiel ist aus und die Blochin-Elf raus. Die Ukrainer bleiben gelassen. Der Sieg der Schweden über Frankreich wird mit Applaus und Jubel quittiert. Einer sagt: „Jetzt hat Blau-Gelb doch noch gewonnen.“ Und: „Hauptsache, die Ukraine bringt das Turnier gut zu Ende. Dann ist das auch für uns ein Sieg.“

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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