Kolumne Älter werden: Mit dem SUV im Suff ins Paradies
Um nicht sofort wieder in Ungnade zu fallen geht's mal wieder um ein zeitgeistiges Phänomen – das Sport Utility Vehicle.
L iebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus (undogmatisch) links. Um in bestimmten, hochsensiblen Kreisen in- und außerhalb dieser hypertoleranten super Zeitung nicht gleich wieder in Ungnade zu fallen - wie jüngst überraschend nach dem Plädoyer für die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit, die in einer demokratisch verfassten Gesellschaft nicht relativiert werden darf; oder auch nach der Hundekolumne -, will ich mich nun mit einem zeitgeistigen Phänomen beschäftigen, das längst schon Soziologen und Psychoanalytiker umtreibt. Es geht um den verhängnisvollen Hang zum SUV (Sport Utility Vehicle) in der Mitte der Gesellschaft (zur Mittelklasse übrigens rechnen sich seit Mitte der 60er Jahre 80 Prozent der Bevölkerung).
Die echte Oberklasse lassen wir also außen vor. Man fährt dort sowieso lieber (wieder) exquisite, exorbitant teure Limousinen, weil selbst die Grenzgänger zwischen Coupé- und Holzklasse glauben, mit ihren angeberischen SUV, die alle den (Auto-)Banken gehören, eine wirtschaftlich prekäre Lage kaschieren zu können. Damit aber wollen die da ganz oben natürlich nix zu tun haben. Sein und Schein: Ein mir bekannter, selbst verschuldet in eine Existenzkrise geratener Advokat jedenfalls fährt die 500 Meter von daheim bis zum REWE mit einer Art stählernem Schneegebirge aus dem Fuhrpark der (noch) liquiden Verwandtschaft, von dessen Sitzen man sich abseilen muss. Wie krank ist das denn!?
Die anderen, in jeder Beziehung armen Schweine rollen mit ihren gigantischen, Sprit ohne Ende fressenden und monströse Feinstaubwolken aus allen Rohren blasenden superdummen Monsterautos skrupellos gleich nach Aldi; bei den Leasingraten ist besser essen halt nicht mehr drin.
ist taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Ganz und gar unerträglich aber sind die SUV-fahrenden und super gestylten jungen kleinen Frauen vom oberen Rand der Mittelklasse, die kaum über das Steuer ihrer brandneuen, demnächst auch noch steuerbegünstigten SUV (alles geleaste Zweitwagen) vor supercoolen Schulen und super Elitekindergärten ihre verzogene - oder gleich erst gar nicht erzogene - Brut aus- oder einladen. Eine Parade der Borniertheit. Generation Protz im Konkurrenz- und Klassenkampf. Sind die natürlich alle hochbegabten Blagen abgeliefert, gehts zum Beautysalon oder zum Shopping, und zwar dorthin, wo die Sonnenbrillen ab 300 Euro kosten. Diese Frauen (Tussis) interessiert nichts außer ihrem eigenen Arsch. Asoziale im wahrsten Wortsinn eben. Und blank polierte Glieder in der Prestigeobjektkette ihrer monetär potenten Gatten: Mein Auto, mein Haus, mein Segelboot, mein Hund, meine Frau. Emanzipation? War bei denen gestern.
Wie gut, dass wir von My Generation schon etwas älter sind. Allradgetrieben aus der Mitte der Gesellschaft heraus als Big Mac mit dem SUV im Suff links auf der BAB direkt ins Paradies respektive den 7. Himmel rasen - oder in die Unfallklinik - ist unsere Sache nicht. Aber offenbar ganz die Freiheit, die SIE meinen. Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht (Heinrich Heine).
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