Kolumbien: Uribe vertreibt Journalisten
Ein Buch über seine angeblichen Verbindungen zur Drogenmafia führt zu Ausfällen von Staatschef Uribe.
PORTO ALEGRE taz Dass Kolumbien zusammen mit Mexiko das gefährlichste lateinamerikanische Land für Journalisten ist, wäre für sich genommen nichts Neues. Doch dass jetzt Gonzalo Guillén, der 55-jährige Korrespondent des Nuevo Herald aus Miami, seinem Heimatland den Rücken kehren musste, hat einen ganz besonderen Beigeschmack. Ausgelöst hat die Flucht ins Exil nämlich Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe höchstpersönlich.
Vor einer Woche hatte Uribe wieder einmal einen seiner gefürchteten Ausfälle. "Dieser Herr Guillén ist sehr hartnäckig in seinen Versuchen, mich zu malträtieren", schimpfte der rechte Präsident in einem Radiointerview. "Er ist ein professioneller Verleumder. Und wenn er in Kolumbien keinen Erfolg hat, geht er ins Ausland." Guillén stecke hinter den Memoiren der ehemaligen TV-Nachrichtensprecherin Virginia Vallejo "Wie ich Pablo liebte und Escobar hasste".
In den 80er-Jahren brachte Vallejo das Kunststück fertig, die Geliebte zweier verfeindeter Drogencapos zu sein: von Gilberto Rodríguez Orejuela, dem Boss des Cali-Kartells, vor allem aber von Pablo Escobar, der das Medellín-Kartell leitete und 1993 von Spezialeinheiten der Polizei getötet wurde. Escobar habe ihr damals Uribe vorgestellt, schreibt Vallejo. Der Präsident erinnert sich an ein kurzes Gespräch mit ihr auf einem Flug von Bogotá nach Medellín.
Uribe war von 1980 bis 1982 Leiter der nationalen Luftfahrtbehörde und soll während dieser Zeit Pablo Escobar bei der Beschaffung von Flugrouten für den Kokainschmuggel behilflich gewesen sein. Ein seit drei Jahren bekannter Bericht der US Defense Intelligence Agency aus dem Jahr 1991 über "die wichtigsten Drogenhändler, die von den kolumbianischen Drogenkartellen für Sicherheit, Transport, Vertrieb, Sammlung und Stärkung von Drogenoperationen, angestellt wurden", führt Uribe als Nummer 82. Außerdem sei Uribes Vater 1983 wegen seine Verbindungen zur Drogenmafia ermordet worden, und nicht von der Farc-Guerilla. Auf ihre Version vom Tod Alberto Uribes verzichtet Vallejo, doch sonst werden die alten Geschichten noch einmal erzählt, nur etwas blumiger. "Pablito", heißt es da, "hat eine Schlüsselfigur in der Leitung der zivilen Luftfahrtbehörde, ein junger Sohn eines der ersten Narcos. Er heißt anscheinend Álvaro Uribe."
Auch diesmal hat der Präsident eine angebliche Freundschaft mit Escobar oder Hilfsdienste als Chef der Luftfahrtbehörde bestritten. Denkbare neue Enthüllungen jedoch machen Uribe für die US-Regierung schon seit Jahren erpressbar. Mit den Attacken auf Guillén, der bereits auf den Todeslisten rechter Paramilitärs stand, ging er selbst für die regierungsnahe Tageszeitung El Tiempo zu weit: "Es sagt nicht Gutes über die Toleranz und das Augenmaß aus, das man von dem erwartet, der das konfliktreichste Land in der Hemisphäre regiert", heißt es in einem Leitartikel. Gustavo Guillén, der jegliche Mitarbeit an den Memoiren der Mafiosibraut leugnet, hat Kolumbien am Sonntag verlassen.
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