: Kolumbien: Kein Wechsel
■ Bei Parlamentswahlen jedoch massive Wahlenthaltung und Verluste für Linke
Bogota (AFP) – Die regierenden Liberalen haben ihre Mehrheit bei den Parlamentswahlen in Kolumbien am Sonntag verteidigen können. Nach ersten Hochrechnungen könnte die Partei von Präsident Cesar Gaviria erneut 56 der 102 Sitze im Senat erringen, wie die staatliche Wahlbehörde nach der Auszählung von 35 Prozent der abgegebenen Stimmen mitteilte. Ein Radiosender sprach gestern sogar von 62 Sitzen. Die Konservative Partei würde den ersten Ergebnissen zufolge zweitstärkste Gruppierung bleiben und sich von neun auf 21 Sitze verbessern. Verlierer wäre demnach die ehemalige linksgerichtete Guerillabewegung M-19, die vermutlich fünf oder sogar sieben von bisher neun Mandaten einbüßte. Die Neue Demokratische Bewegung würde drei statt bisher fünf Abgeordnete stellen; weiterhin wären 15 unabhängige Kandidaten vertreten sowie zwei indianische und ein kommunistischer Abgeordneter. Über die Sitzverteilung in der zweiten Kammer, dem Abgeordnetenhaus, gab es zunächst keine offiziellen Ergebnisse. Der private Radiosender „Caracol“ gab erste Schätzungen bekannt, nach denen dort die Liberalen 87 von 163 Sitzen für sich verbuchen konnten.
Offenbar unter dem Eindruck von Boykottaufrufen linksgerichteter Untergrundbewegungen blieben rund 70 Prozent der Wähler den Urnen fern. Schon bei den Wahlen von 1991 hatte die Anzahl der Nichtwähler bei 65 Prozent gelegen. Ein Grund für die geringe Beteiligung dürfte das fehlende Vertrauen der Bevölkerung in die Kandidaten sein. Nach Ansicht von Beobachtern hatte das Kokainkartell von Cali, dessen Boß sich Ende letzter Woche der Polizei stellte, viele Kandidaten gekauft und ihren Wahlkampf mit Drogengeldern finanziert. Überschattet wurden die Wahlen auch von Ermittlungen gegen Präsident Gaviria, der bei den für den 8. Mai geplanten Präsidentschaftswahlen nicht mehr antritt. Sicherheitsminister Fabio Villegas nannte die Wahl dennoch einen „Sieg für die Demokratie“ und eine Niederlage für die „gewalttätige Minderheit“.
Bei Feuergefechten zwischen Soldaten und linken Untergrundkämpfern wurden am Samstag und Sonntag acht Soldaten und fünf Guerilleros getötet. Guerilleros der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) entführten am Sonntag morgen 31 Personen im nördlichen Departement Santander, von denen die meisten als Wahlhelfer eingesetzt werden sollten. Sie wurden in der Nacht zum Montag wieder freigelassen. Bereits am Samstag hatten Mitglieder der marxistischen Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) einen Militärstützpunkt im südöstlichen Departement Guaviare überfallen.
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