Kolonialist Lettow-Vorbeck: Heldentaten vor Gericht

Das Amtsgericht Hannover spricht einen Gutachter von dem Vorwurf frei, das Andenken des Kolonialhelden Paul von Lettow-Vorbeck verunglimpft zu haben.

Kolonialpostkartenheld oder Kriegsverbrecher? Paul von Lettow-Vorbeck. Bild: Wikimedia

HANNOVER taz | Das Amtsgericht Hannover hat am Mittwoch einen Historiker von dem Vorwurf frei gesprochen, er habe das Andenken des kaiserlichen Kolonialhelden Paul von Lettow-Vorbeck verunglimpft. Im Rahmen eines Gutachtens für die Stadt Hannover war der Historiker Helmut Bley zu dem Schluss gekommen, Lettow-Vorbeck habe in Afrika und Deutschland gegen das Kriegsrecht verstoßen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Hochverrat begangen. Geklagt hatten die Töchter des Generals, Heloise und Ursula zu Rantzau. Sie sehen durch Behauptungen des hannöverschen Historikers Helmut Bley das Andenken ihres Vaters verunglimpft.

Die Richterin Catharina Schwind sagte in ihrer Urteilsbegründung, den Klägerinnen sei es nicht gelungen, zu beweisen, dass die von Bley aufgestellten Behauptungen falsch seien. Wie die gegensätzlichen Einschätzungen der Gutachter zeigten, handele es zudem primär um Werturteile, die von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Bley habe nicht mit dem Vorsatz gehandelt, den General zu verunglimpfen, sondern einen Auftrag der Stadt abgearbeitet. Seine Behauptungen seien auch von der Wissenschaftsfreiheit gedeckt.

Der Streit geht zurück auf einen Antrag der Linken und der SPD auf Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Allee in Hannover. Anwohner klagten und die Stadt bat Bley zu klären, ob sich der Name Lettow-Vorbeck noch mit den Richtlinien der Stadt für die Wahl von Straßennamen vertrage. Bley befand: Nein.

Die Klägerinnen störe nicht die Umbenennung einer Straße, wie ihr Anwalt Klaus Goebel betonte, sondern die ihrer Ansicht nach falschen Behauptungen, die Bleyl in seinem Gutachten aufgestellt habe. Ob denn der General zu Hause, von Todesurteilen gesprochen habe, die er ausgesprochen habe, fragte er die anwesende Klägerin Heloise zu Rantzau. „’Gottseidank bin ich nie in die Lage gekommen, das zu tun‘, habe ihr Vater gesagt“, erzählte die fast 90-Jährige.

Das Amtsgericht Hannover hat Bley vor zwei Jahren frei gesprochen. Das Oberlandesgericht Celle kassierte den Spruch, weil der Tatbestand nicht genügend erforscht worden sei.

Richterin Schwind, die den Fall übernommen hat, versuchte, mit Hilfe von zwei Gutachtern beider Seiten den Wahrheitsgehalt von elf Aussagen aus Bleys Gutachten zu klären. Die Gräfinnen boten den pensionierten Oberst Werner Patzki auf. Er habe sich während seiner Dienstzeit mit wehrgeschichtlichen Themen befasst, sagte Patzki, und später noch drei Semester Geschichte studiert. Der zweite Gutachter war Uwe Schulte-Varendorff, der seine Magisterarbeit in Geschichte zu einem Buch über Lettow-Vorbeck ausgebaut hat und auf den sich Bley unter anderem stützt.

Patzki machte überwiegend Negativ-Aussagen. Tenor: Wenn es denn überhaupt Verbrechen gegeben habe, so seien sie Lettow-Vorbeck nicht persönlich anzulasten. Das betreffe etwa den Kapp-Lüttwitz-Putsch von 1920, an dem er sich beteiligte.

Wie Schulte-Varendorff belegte, ließ Lettow-Vorbeck im Rahmen des von den Putschisten verhängten Belagerungszustands Standgerichte einrichten und Rädelsführer sowie Streikposten mit dem Tode bedrohen. Zeugenaussagen zufolge hätten Soldaten Lettow-Vorbecks Menschen erschossen. Lettow-Vorbeck sei ein Werkzeug des Belagerungszustandes „und der zu diesem Zeitpunkt amtierenden Regierung“ gewesen, sagte Patzki. Ob das bedeute, dass er die Putschisten-Regierung für legitim halte, fragte Bley. Analog könne man auch Scheidemanns Revolutionsregierung für illegitim halten, fand der Klägerinnen-Anwalt Goebel.

In Bezug auf Lettow-Vorbecks Einsätze in den Kolonien bescheinigte ihm Schulte-Varendorff, dass er nicht direkt, aber durch seine Befehle beteiligt gewesen sei. Wenn Dörfer niedergebrannt worden seien und das Vieh vertrieben worden sei, so habe es sich um Gefechtshandlungen gehandelt, sagte Patzki.

„Es ist schwierig, im Urteilswege zu bestimmen, wie jemandem zu Gedenken ist“, sagte die Richterin. Das Urteil kann binnen einer Woche angefochten werden.

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