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Können Nazis Terroristen sein?

■ Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Hamburger Nazi-Bosse Fiebig und Scholz / Auch NL-Führer Worch im Visier Von Peter Müller

Die Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe hat gegen die beiden Hamburger Faschistenführer Henry Fiebig und Christian Scholz ein Verfahren wegen „versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung“ eingeleitet. Nach Angaben von BAW-Sprecher Rolf Hannich stehen Fiebig und Scholz unter dem Verdacht, an der Herausgabe und Verbreitung der Neonazi-Schriftenreihe „Eine Bewegung in Waffen“ beteiligt zu sein.

Hannich: „In einem Band sind konkrete Anweisungen zum Bau von Brand- und Sprengsätzen enthalten“. Überdies sei darin der Mordanschlag auf den Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder „als vorbildlich“ dargestellt und rekonstruiert worden. In einer weiteren Ausgabe würden Tips zum Aufbau konspirativer, schlagkräftiger und illegaler Gruppen gegeben.

Fiebig und Scholz gelten als wichtige Figuren der deutschen Faschistenszene. Fiebig war bis zum Dezember 1992 Kader der inzwischen verbotenen Nationalen Offensive (NO). Christian Scholz war Mitbegründer der NO, Kader der militanten Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschland (FAP) und lange Zeit presserechtlich Verantwortlicher der „FAP-Nachrichten“.

Zuletzt geriet Henry Fiebig im Sommer vorigen Jahres in die Schlagzeilen, als er eine Wohnung neben der Roten Flora im Schanzenviertel bezog. Als Antifaschisten vor seinem neuen Domizil demonstrierten, feuerte Fiebig von seinem Balkon aus mit Leuchtspurmunition in die Menge. Bei einer anschließenden Razzia stellte die Polizei Waffen sicher.

Die Bundesanwälte prüfen auch, in welcher Beziehung Fiebig und Scholz zur NSDAP-Auslandsorganisation stehen. Sie sollen mehrere Veröffentlichungen und Aktionen über die NSDAP-Zentrale in den USA abgewickelt haben, um die Strafverfolgung in der BRD zu erschweren.

Nach Recherchen der NDR-Hamburg Welle könnten auch der Boß der neofaschistischen Nationalen Liste (NL), Christian Worch, und seine Organisation Ärger bekommen. In einer in den USA beschlagnahmten Ausgabe von „Eine Bewegung in Waffen“ soll die Adresse der NL als Kontaktstelle angegeben sein. Die BAW-Ermittlungen decken sich mit Erkenntnissen des Verfassungsschutzes (VS). Hamburgs VS-Chef Ernst Uhrlau hatte vor einigen Tagen davor gewarnt, daß die Neonazis aufgrund der zunehmenden „staatlichen Repression“ Rache nehmen könnten. „Sie werden verstärkt spontanere Aktionen veranstalten“, so Uhrlau: „Wir müssen damit rechnen, daß Rechtsextremisten auch gegen staatliche Institutionen vorgehen werden.“

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