Koalitionsverhandlungen in Rheinland-Pfalz: Der Frevel am Moselsporn
Die Winzer sind entsetzt, Weinpapst Hugh Johnson fleht sogar Gott um Hilfe an. Doch die Hochmoselbrücke in Rheinland-Pfalz können nur noch die Grünen verhindern.
Wer auch nur einmal in seinem Leben bei Rita und Rudolf Trossen in Kinheim-Kindel auf der Bank gesessen hat und den Kegel hat sehen dürfen, der sich wie eine auf den Kopf gestellte Pyramide gegenüber, auf der anderen Moselseite erhebt, der wird augenblicklich zum Gegner der hier geplanten 180 Meter hohen Brücke über den an diesem Frühlingstag goldfunkelnden Fluss. Seine Steilhänge wurden schon von den Römern mit Reben bepflanzt.
Diese umgekehrte Pyramide - die beste Lage der Ökowinzerfamilie Trossen - besteht aus drei Weinbergen, deren Hänge ein in der Sonne glänzendes Dreieck bilden. Dort oben, erzählt Rudolf Trossen (Jg. 1955) bei einem Glas Riesling Pyramide (Jg. 2009), habe vor genau einem Jahr der britische "Weinpapst" Hugh Johnson gestanden und mit ausgebreiteten Armen Gott angefleht, ihm doch die Kraft zu verleihen, "die besten Rieslinglagen der Welt" vor diesem "Brückenmonstrum" zu retten.
"Anmut und Liebreiz"
Dort oben hat auch Rudolf Trossen eine rote Bank aufgestellt, auf der er manchmal sitzt und auf sein begrüntes Weingut hinüberschaut. "Glücklich und zufrieden" sei er mit seinem Leben und seiner Arbeit als Winzer, sagt er spontan. Und dass er dankbar dafür sei, hier an der Mosel daheim sein zu dürfen, einer Region "voller Anmut und Liebreiz". Und jetzt komme diese "monströse Banalisierung der Landschaft durch den Bau dieser abartigen Brücke".
Mit deren Errichtung und dem damit verbunden Bau einer vierspurigen Straße direkt auf den Gipfeln der Weinberge werde den Weinhängen in Steillage zudem buchstäblich das Wasser abgegraben, befürchtet etwa der renommierte Weinkritiker Stuart Pigott. Der Schotte spricht genau wie Johnson von den "berühmtesten Weinbergen Deutschlands" und nennt den Brückenbau "Vandalismus".
Johnson, der ganze Meter von Weinliteratur schuf, meinte gar, dass man französische Weine etwa aus dem Bordeaux oder dem Burgund durchaus imitieren könne, "aber den großartigen Moselriesling nicht". Zeltinger Himmelreich oder Wehlener Sonnenuhr heißen die Spitzenlagen und -weine hier im sogenannten Moselsporn, einer Flussschleife, über die schon jetzt sieben Brücken führen.
Doch alle juristischen Bemühungen der etwa in der Bürgerinitiative Pro-Mosel zusammengeschlossenen regionalen Brückengegner und des BUND, den von Rheinland-Pfalz beschlossenen und von der Bundesregierung finanziell unterstützten Hochmoselübergang noch zu verhindern, scheiterten. Zuletzt schaltete 2008 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Licht auf Grün für den Bau der Stelzenbrücke, der dazugehörigen Trasse und der Abfahrten hinunter zur Mosel.
Jetzt aber keimt auch bei Rudolf Trossen wieder Hoffnung auf. In der Landeshauptstadt Mainz verhandeln SPD und Grüne über die Bedingungen für eine Regierungskoalition. Zügig wurden Projekte vor allem im Bildungs- und Sozialbereich diskutiert und beschlossen (siehe unten). Schon Ende nächster Woche sollen Parteitage von SPD und Grünen den Koalitionsvertrag durchwinken.
Zuvor aber muss noch das Problem mit der Brücke gelöst werden. Der Hochmoselübergang ist das "Stuttgart 21" von Rheinland-Pfalz. Die Sozialdemokraten, die sich mit Ministerpräsident Kurt Beck an der Spitze aus ökonomischen und strukturpolitischen Gründen für die Brücke starkgemacht haben, sind weiter strikt dafür - die Grünen auch aus ökonomischen, vor allem aber aus ökologischen und landschaftspflegerischen Gründen strikt dagegen.
Dass die Grünen hart bleiben, wenn die Brücke Ende der Woche auf der Schlussagenda der Verhandlungen steht, und sich damit durchsetzen, daran will Rudolf Trossen gern glauben - "auch wenn wir dann hier am Ortsausgang über den wohl teuersten Kreisel der Welt verfügen". Der ist schon gebaut, ganz ohne Straßenanbindung. So wie auch mehrere Fußgängerbrücken über die geplante Zubringerstraße für den Schnellweg.
Schildbürgerstreiche? 180 Millionen Euro der anvisierten 330 Millionen Euro Gesamtkosten sind schon verbaut oder vertraglich gebunden. Trossen entkorkt eine Flasche 2009er Riesling Schieferblau. Drüben, in der Pyramide, fahren Winzer mit Bähnchen die Steilhänge hinauf. Auf der Mosel tutet ein Ausflugsdampfer. Der mineralische Riesling ist eine Klasse für sich. Zu den Stammkunden von Trossen zählen auch Belgier, Holländer und Luxemburger, die "ganz ohne Hochmoselübergang den direkten Weg zu mir gefunden haben", sagt er breit grinsend.
Ob die allerdings auch noch zu seinen Weinverkostungen kommen und in der Region übernachten werden, wenn erst hoch oben die Lastwagen über die Brücke donnern - die dann auch einen Wanderschatten auf die Weinberge und die Dörfer werfen wird -, fragt nicht nur Trossen. Wohl auch deshalb haben sich die beiden Moselwinzer mit dem größten Renommee, Manfred Prüm und Dr. Loosen, in die Front gegen den Brückenbau eingereiht. Am Ostermontag trafen sich im Weingut Prüm in Wehlen rund 80 Spitzenwinzer von der Mosel, der Saar und auch aus dem Rheingau und der Pfalz. Sie verabschiedeten ein "Gesuch" an die Verhandlungsdelegationen von SPD und Grünen: "Für eine bessere Zukunft ohne Hochmoselübergang."
Schneller nach Hahn
Doch auch die Befürworter der Brücke und der Schnellstraße B 50 (neu), die ab 2016 das Autobahnkreuz Wittlich (Eifel) mit der Hunsrückhöhenstraße und dem Flughafen Hahn verbinden soll, werden aktiv. So fordern etwa die Landräte der Region den zügigen Weiterbau. Vor allem der Flughafen Hahn, glauben sie, werde davon profitieren. Und es würden wegen der besseren Verbindung mehr Touristen aus den Beneluxstaaten an die Mosel gelockt.
Auch die regionale Wirtschaft bekennt sich zum Brückenbau. Die CDU Rheinland-Pfalz, die an der "schnelleren Verbindung zwischen Benelux und Mainz" festhalten will, weist denn auch schon auf Regressforderungen "in dreistelliger Millionenhöhe" hin, die auf das Land zukommen, wenn Rot-Grün aus dem Projekt aussteigt. Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) drohte, die bereits gewährten Bundeszuschüsse wieder zu streichen.
Im Moment gilt noch der zwischen SPD und Grünen für die Dauer der Verhandlungen verabredete Baustopp. Nicht jeder Bauunternehmer hält sich daran. Ökowinzer Trossen träumt dagegen schon von "Kunst auf dem Kreisel" - nach dem endgültigen Aus für den "Dinosaurier aus Beton". Das Ende ist nahe, glaubt er, "weil teure und überflüssige Neubauten nicht mehr in die Landschaft und in die Zeit passen". Vielleicht solle er Kurt Beck mal auf ein Glas Pyramide auf seine Gartenbank einladen. Dann wäre das Problem sicher schnell "ausgetrunken".
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