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Koalitionsstreit um das Abtreibungsrecht

■ Blüm besteht auch weiter auf zweierlei Recht

Bonn (dpa) - Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat den „Rückzug“ von Justizminister Hans Engelhard zur Frage der Strafbarkeit von Abtreibungen nach der Vereinigung Deutschlands heftig kritisiert. Der mühsam zustande gekommene Kompromiß für die Übergangszeit bis zu einer gesamtdeutschen Regelung werde wieder in Frage gestellt, wenn Engelhard jetzt erkläre, daß sich die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen nicht nach dem am Wohnort der Frau, sondern nach dem am Ort des Eingriffs geltenden Recht richten solle, erklärten die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Roswitha Verhülsdonk und die frauenpolitische Sprecherin der CSU, Ursula Männle, gestern in Bonn.

Für zweierlei Abtreibungsrecht nach der Vereinigung beider deutscher Staaten hat sich Bundesarbeitsminister Norbert Blüm ausgesprochen. Für eine befristete Übergangszeit sollten beim Schwangerschaftsabbruch die unterschiedlichen Regelungen beibehalten werden, sagte Blüm gestern in DÜsseldorf. Eine Fristenlösung, wie sie Bundestagspräsidentin Süssmuth vorgeschlagen hatte, lehnte er ab. Ein Formulierungsvorschlag für den Einigungsvertrag aus dem Justizministerium hatte zunächst bei vorläufigem Weitergelten zweierlei Rechts das Wohnortprinzip vorgesehen. Danach könnte eine bundesdeutsche Frau bestraft werden, wenn sie auf dann ehemaligem DDR-Gebiet abtreiben ließe, obwohl dort dieser Eingriff legal ist.

Die Politikerinnen der CDU/CSU meinten in der Presseerklärung, wenn dies zurückgenommen werde, würde das bundesdeutsche Indikationsmodell preisgegeben. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Wolfgang Bötsch, erklärte, ohne Strafandrohung würde einem Abtreibungstourismus Tür und Tor geöffnet. Eine Rücknahme des staatlichen Schutzes für das ungeborene Leben könne für das Bundesgebiet unter keinen Umständen in Frage kommen, auch nicht dadurch, „daß Formen des sogenannten Abtreibungstourismus eine rechtliche Sanktion erfahren“.

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