Koalitionskrach um ALGI: Röttgen nennt SPD "Juniorpartner"
Merkel-Vertrauter Norbert Röttgen greift Sozialdemokraten scharf an. Sie befänden sich nicht mehr auf Augenhöhe mit der Union. CSU sieht Chancen für schwarz-gelbe Koalition steigen.
BERLIN taz Aus dem SPD-internen Streit um das Arbeitslosengeld droht schneller als erwartet ein Krach in der großen Koalition zu werden. Zum ersten Mal griffen führende Unionspolitiker am Dienstag den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck scharf an und stellten sogar die weitere Zusammenarbeit der Regierungsparteien in Frage. Damit kommt ein neuer Ton in die Debatte. Noch am Montag hatte die CDU-Chefin Angela Merkel über ihren Sprecher ausrichten lassen, sie wolle sich zum Thema Arbeitslosengeld nicht äußern und erst einmal abwarten, was die SPD auf ihrem Parteitag Ende des Monats beschließen werde.
Wichtige Mitstreiter Merkels in der Union scheinen nun jedoch die Geduld zu verlieren. Mit dem von Beck propagierten Vorschlag, das Arbeitslosengeld I für Ältere zu verlängern, ändere die SPD einseitig die Geschäftsgrundlage der großen Koalition, schimpfte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU). Bei seinem üblichen Pressefrühstück zu Beginn der Bundestagssitzungswoche hob er zu einer unüblichen Brandrede gegen die SPD und deren Chef an: "Es geht ums Grundsätzliche." Bisher habe die Gemeinsamkeit der Koalition darin bestanden, die Bedingungen für den Abbau der Arbeitslosigkeit zu verbessern und "nicht an jetzige Wähler, sondern an die nächste Generation" zu denken, sagte Röttgen. Deshalb habe man, gegen viele Widerstände, unter anderem die Rente mit 67 eingeführt und den Bundeshaushalt konsolidiert. Von diesem gemeinsamen Kurs der Regierung verabschiede sich die SPD, wenn sie nun mehr Arbeitslosengeld zahlen wolle. "Zum Geldausgeben braucht man keine große Koalition", so Röttgen.
Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer kritisierte, dass die SPD dabei sei, eine fundamentale Wende einzuleiten. Bei Becks Vorschlägen handele es sich um "krampfhafte Versuche, von der Linkspartei etwas wegzuholen", sagte Ramsauer. Diese Versuch würden aber scheitern, was man an den aktuellen Umfragen erkennen könne. Da lege nicht die SPD, sondern die Union zu. "Damit steigen natürlich auch die Chancen für eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland", tönte der CSU-Politiker und fügte hinzu, für einen Ausstieg aus der großen Koalition wäre es trotzdem "noch zu früh".
Auch sein Unionskollege Röttgen sagte, dass sich "nicht die Koalitionsfrage in diesem Sinne stellt". Mit Becks Vorschlägen werde die SPD aber zu einem "Juniorpartner", der nicht mehr auf Augenhöhe mit der Union regieren könne. Röttgens Ausführungen stießen bei den anwesenden Journalisten auf Verwunderung, da der CDU-Politiker bisher noch nie durch besonders forsche Töne aufgefallen war. Ganz im Gegenteil: Röttgen, der als loyaler Mitstreiter Merkels gilt, hatte sich bei seinen öffentlichen Äußerungen stets darum bemüht, Konflikte eher einzudämmen als zu vergrößern.
Wenn so ein Mann nun schweres Geschütz gegen die SPD auffährt, sorgt er für Aufsehen - und für Nachfragen der Journalisten. Dabei geriet Röttgen in die Defensive. Immer wieder darauf angesprochen, dass es die CDU selbst gewesen sei, die auf ihrem Parteitag vor einem Jahr als erste Regierungspartei beschlossen hatte, das Arbeitslosengeld I für Ältere zu verlängern, sagte Röttgen, das könne man nicht vergleichen. Schließlich habe der CDU-Beschluss eine "kostenneutrale" Finanzierung vorgesehen. Außerdem habe es eine besondere Qualität, wenn Parteichefs selbst derartige Vorstöße machten. Auf den Hinweis, dass auch Merkel 2004 ausdrücklich für mehr Arbeitslosengeld für Ältere plädierte, gab es von Röttgen nur eine Erklärung: Damals sei sie "in der Opposition" gewesen.
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