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Koalitionen mit LinkeGrüne wollen Spielraum erweitern

Bis zur Hamburg-Wahl scheint es in Hessen keine Einigung für eine Koalition zu geben. Grünen-NRW-Landeschefin empfiehlt, Rot-Rot-Grün nicht auszuschließen.

Für einen "hessischen Laborversuch": NRW-Grünen-Chefin Daniela Schneckenburger Bild: dpa

Angesichts der komplizierten Koalitionsplanspiele in Hessen wächst bei den Grünen die Bereitschaft, sich ein Regieren mit der Linkspartei vorzustellen.

Die aktuelle Vorgabe der hessischen wie der Bundesgrünen lautet zwar, dass die FDP für eine "Ampel"-Koalition mit SPD und Grünen einzunehmen sei und jede andere Aussage den Druck von den Liberalen nähme. Doch vermuten einige Grüne, dass der FDP der Druck der Grünen herzlich egal ist. Sie möchten den Spielraum nach links erweitern: hin zu einer rot-rot-grünen Koalition oder einer Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die Linkspartei. Die Vorsitzende des größten grünen Landesverbands Nordrhein-Westfalen, Daniela Schneckenburger, sagte zur taz: "Man sollte diese Option nicht ausschließen."

Es sei offenbar "schwierig, sich in Hessen unmittelbar auf eine Koalition zu verständigen". Doch sei es "sicherlich ein interessantes Modell", wenn sich eine rot-grüne Koalition unter der SPD-Spitzenfrau Andrea Ypsilanti und dem grünen Landeschef Tarek Al-Wazir von der Linkspartei tolerieren ließe. "Solch ein hessischer Laborversuch" könne einen "Fortschritt in der politischen Kultur" markieren, erklärte Schneckenburger. Dies wolle sie gern der grünen Bundesspitze in Berlin als "Anstoß" mitgeben: "Die Westausdehnung der Linkspartei ist vollzogen, nun müssen wir damit umgehen."

Der hessische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn, der erst zu Beginn des Jahres ins Parlament nachrückte, sagte zur taz, es sei "fast eine Stilfrage", dass man mit der Linkspartei "nicht so umgeht, wie man früher mit den Grünen umgegangen ist". Die Grünen hätten nach dem Gang in die Opposition 2005 stets gesagt, dass sich Koalitionsbildungen nun nach Inhalten entschieden. "Und wenn man sich die Inhalte in Hessen jetzt anguckt, wird man eine deutlich größere Nähe zur Linken als zur FDP erkennen", erklärte Strengmann-Kuhn.

Der grüne Vordenker Daniel Cohn-Bendit hatte bereits vor der Wahl in der taz für eine Öffnung zur Linkspartei geworben. Nach dem Wahlergebnis am Sonntag, das Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zwar mit einer hauchdünnen Mehrheit vor Ypsilanti versah, ihn aber mit großen Verlusten als Verlierer dastehen ließ, plädierte Cohn-Bendit für ein Tolerierungs-Modell.

Doch auch diejenigen Grünen, denen die FDP nicht sonderlich nahe steht, wissen, dass eine Tolerierung durch eine unerfahrene Linke ein prekäres Geschäft sein dürfte. Für eine Mehrheit im 110 Sitze umfassenden Landtag bräuchte eine 51 Köpfe zählende rot-grüne Koalition stets mindestens fünf der sechs Linken-Stimmen. Union und FDP würden mit aller Kraft gegen eine solche "Volksfront" mobilisieren.

Der Horror vor dem ideologischen Sturm, der bei einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit losbräche, bewegt andere Grüne dazu, zunächst am Wunsch nach der Ampel festzuhalten. Die FDP wäre die Kraft an der Regierung, die die "anderen gesellschaftlichen Kräfte mitnähme", sagte etwa der Grünen-Landeschef von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, zur taz. "Ein rot-gelb-grünes Regierungsprofil würde deshalb eher die gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten erhöhen", erklärte Habeck. Eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit in Hessen "würde den aufgeheizten Lagerwahlkampf nur fortsetzen". Doch bräuchte so ein Bündnis "eine gewisse Vorbereitung und gemäßigtere Wahlkämpfe".

Echtes Wohlgefallen bereitet Liberalen und Konservativen dagegen die Idee, die Grünen für eine "Jamaika"-Koalition mit CDU und FDP zu gewinnen: auch als "Laborversuch Hessen" mit Verlängerungsoption in den Bund 2009. Doch hierzu sind sich die Grünen einig: Mit der Hessen-CDU, das geht gar nicht.

Aber vielleicht in Hamburg. Hier wird am 24. Februar gewählt. Die Grünen kämpfen zwar für Rot-Grün, doch bietet sich der Bürgermeister Ole von Beust (CDU) auch für eine schwarz-grüne Regierung an.

Spätestens mit der Hamburgwahl jedenfalls dürfte sich auch der hessische Koalitionsknoten lösen.

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