piwik no script img

Koalition ringt um StaatshilfenErst Opel, jetzt Karstadt

Nach den Autobauern will die SPD die Verkäuferinnen vor der Stütze und die Innenstädte vor Verödung retten. Noch zögert die Union und Minister Guttenberg darf renitent bleiben.

Karstadt-MitarbeiterInnen demonstrieren vor dem hessischen Landtag in Wiesbaden für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Bild: dpa

Wer folgt auf Opel?

Arcandor: Die Kaufhaus-Sparte von Arcandor hat seit Jahren Probleme. Am 12. Juni läuft ein Kredit über 650 Millionen Euro ab. Kann der Konzern nicht zahlen, droht Insolvenz. Gefährdet sind bei Karstadt und Quelle 53.000 Jobs. Eine Staatsbürgschaft über 650 Millionen Euro und ein 200-Millionen-Staatskredit soll sie retten.

Porsche: Der Autobauer übernahm sich mit VW, hat nun 9 Milliarden Euro Schulden. Einen ersten Antrag auf Staatshilfe hat das Wirtschaftsministerium abgelehnt. Derzeit verhandelt Porsche mit mehreren Banken über Kredite von 1,75 Milliarden Euro. Möglich sind auch eine Fusion mit VW oder der Einstieg eines Investors aus Abu Dhabi oder Katar.

Schaeffler: Der Autozulieferer übernahm sich mit Conti und kündigte an, 2009 250 Millionen Euro beim Personal sparen zu müssen. Von 66.000 Jobs seien in Deutschland 4.500 bedroht. Laut Berichten hat Schaeffler 4 Milliarden Euro Staatshilfe beantragt.

Als die Unterhändler der Union am Samstag früh um viertel nach zwei den Rettungsplan für Adam Opel endlich abnickten, waren die Spitzenleute der SPD in Gedanken bereits weiter. Zu jenem Zeitpunkt befanden sich die druckfrischen Exemplare der Bild-Zeitung schon auf dem Weg zum Kiosk, in der Parteichef Franz Müntefering Staatshilfe für die kriselnden Karstadt-Warenhäuser anmahnte.

Kaum hat Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier seine Konkurrentin Angela Merkel mit der Macho-Masche in die Rolle einer Autokanzlerin gedrängt, wird der Gender-Hebel bei der SPD schon umgelegt. "Beim Kaufhauskonzern Arcandor müssen wir auch helfen", erklärte Müntefering. "Es geht dabei um viele Tausend Arbeitsplätze im wichtigen Dienstleistungssektor - überwiegend von Frauen."

Steinmeier selbst ließ sich tags darauf in der Bild am Sonntag als "Sieger der Opel-Nacht" feiern - und wandte sich gleichfalls den Kassiererinnen zu. Die Politik dürfe nicht so tun, "als ginge uns die drohende Verödung ganzer Innenstädte in Deutschland nichts an", sagte er. "Hier geht es um 50.000 Arbeitsplätze, Tausende Verkäuferinnen."

Nach eigenen Angaben steht der Bundesminister des Auswärtigen bereits in Gesprächen über die Gründung einer Deutschen Warenhaus AG - auch mit dem Übernahme-Interessenten Metro, dessen Chef Eckhard Cordes zugleich stellvertretender Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats ist.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hält in den Dienstagsausgaben der bayerischen Regionalpresse dagegen. Während der Opel-Nacht im Kanzleramt war er bis zuletzt für eine geordnete Insolvenz eingetreten, bei der Information des Bundestags-Haushaltsausschusses am Sonntag lieferte er sich nach Teilnehmerangaben Wortgefechte mit Finanzminister Peer Steinbrück.

"Wer jetzt schon auf Bundesebene Unternehmen Hunderte Millionen in Aussicht stellt, ohne dass überhaupt eine fachliche Prüfung abgeschlossen ist, der führt einen Wahlkampf auf dem Rücken der Steuerzahler", sagte Guttenberg der Passauer Neuen Presse. Im Straubinger Tageblatt warnt er davor, "durch vorauseilende Versprechungen und durch das Ausschließen von Optionen die eigene Position zu schwächen". Das habe die SPD "in unverantwortlicher Weise bei Opel getan".

Für die CSU, die am kommenden Sonntag um den Wiedereinzug ins Europaparlament bangt, ist Opel ein heikles Thema. Die Firma besitzt keine Produktionsstätte in Bayern, wo heimische Unternehmen wie BMW ebenfalls unter Krisenfolgen leiden. Auch nehmen sich die Vergünstigungen beim Agrardiesel, die das Berliner Regierungsbündnis zuletzt den Milchbauern gewährte, im Vergleich zu den Opel-Hilfen sehr bescheiden aus. Entsprechend eilig wies Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) darauf hin, dass auch bayerische Arbeitsplätze in Gefahr seien: "Wie soll ich diesen Menschen erklären, dass in einem Fall geholfen und im anderen nicht geholfen wird?"

Auch CDU-Politiker mühten sich über die Feiertage, den Fall Opel zur absoluten Ausnahme zu erklären - allerdings mit wechselnden Begründungen. Die Bundeskanzlerin bezog sich auf die internationale Dimension des Falls. Die Regierung habe sich eingeschaltet, weil auf US-Seite ebenfalls der Staat aktiv gewesen sei, erklärte sie auf einer Wahlkundgebung im oberbayerischen Unterschleißheim: "Wer soll denn für Opel mit dem amerikanischen Staat sprechen?"

Anders argumentiert Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der stets in vorderster Reihe der Opel-Retter stand und nun mit 447 Millionen Euro an Landesmitteln für ein Drittel des Überbrückungskredites bürgt. Er hebt darauf ab, dass der Arcandor-Konzern neben dem kriselnden Kaufhausgeschäft eine profitable Touristiksparte betreibt. "Hier dürfen nicht Vermögenswerte der Eigentümer auf Kosten des Steuerzahlers geschont werden", sagte er.

Ob die Union diese Linie durchhält? Das Wahlvolk ist in der Frage der Unternehmensrettung tief gespalten, je nach eigener Interessenlage. Da kann es nicht schaden, die Optionen vorerst offenzuhalten. Und dafür ist der vermeintlich renitente Guttenberg wertvoller denn je. Die Kanzlerin hat ihn am Wochenende jedenfalls auffallend geschont. "Ich bin unserem Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausdrücklich dankbar, dass er immer wieder den Finger in die Wunde gelegt hat", sagte Merkel am Montag in Unterschleißheim.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • O
    ole

    Arcandor hat nicht nur schlecht gewirtschaftet, sie haben unter aller Sau gewirtschaftet.

    Wer hat denn die über 2,5 Millirden Schulden angehäuft? Wer zahlt denn Abfindungen von fast 2,5Mio für nichts? Wer hat denn die Mietpolitik getragen. Da ist es kein Wunder, daß es hinten und vorne nicht mehr reicht.

    Wenn man sich die wirre Ein -und Verkaufspolitik von Arcandor ansieht, wird einem schlecht.

     

    Außerdem möchte Arcandor nicht nur 650 Mio an Bürgschaften sondern zusätzliche 200 Mio an staatlichen Krediten.

    Das ist doch ein Faß ohne Boden. Was kommt denn nach den 850 Mio? Dann werden die nächsten Mietschulden, Kreditzinsen et cetera fällig. Und wer garantiert denn, daß die Konzern nach Erhalt des Geldes nicht selbst radikal umstrukturiert und Geschäftsteile abstößt oder auflöst?

     

    Und wenn ich mir dann noch anschaue, daß die größten Anteilseigner von Arcandor mit zusammen über 50% Sal.Oppenheim und Schickedanz sind, welche in ihren Milliarden förmlich ersticken, obwohl sich die eine beim anderen noch Geld pumpen muß, um irgendwelche Expansionspläne zu verwirklichen, sehe ich überhaupt nicht ein, daß der Staat herhalten soll.

    Weshalb sollen denn die Großaktionäre, welche durch ihren Anteil maßgeblichen Einfluß auf die Unternehmensführung haben nur dafür gut sein, an der Dividendenausschüttung beteiligt zu sein?

     

    Es ist immer schlecht, wenn Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Keiner von uns will das. Aber es gibt auch Instrumente wie bsw. eine ordentliche Insolvenz mit den Ziel der Entschuldung und der Möglichkeit, daß gesunde Unternehmensteile wie KarstadtQuelle weiterbestehen und deren Belegschaft nicht ihre Arbeitsplätze verliert.

  • J
    Jürgen

    Arcandor hat schlecht gewirtschaftet - aber den Kredit, den Arrcandor jetzt verlängern möchte, bis jetzt ohne Bürgschaft erhalten. Nur weil die Banken jetzt kaum mehr Kredite vergeben, wird dieser nicht mehr VERLÄNGERT. Deswegen sollte Arcandor geholfen werden, weil Arcandor damit ein Opfer der Finanzkrise ist. Eie Bürgschaft kostet zudem keinen Cent.

     

    Verlichen Mit Opel (4,5 Mrd.Bürgschaft, 25.000 Mitarbeiter), hätte Arcandor Anspruch auf eine Bürgschaft von 10 Mrd.Euro, da mehr als doppelt soviel Mitarbeiter. Arcandor möchte jedoch nu 650 Mio., 1/10 der Opel-Bürgschaft.

  • T
    TheC

    Ganz sicher. Opel war mindestens genau so lange unprofitabel, hat bis zum insignia Null Innovation gebracht und bekommt dicke Mrd. für 25.000 Arbeitsplätze. Wenn Arcandor ein Konzept hat, wie es in die Zukunft gehen kann, hat das Unternehmen ein Recht nach Opel erworben, um 650 Mio. für 50.000 Arbeitsplätze zu bekommen. Soweit sollte die Politik ja wohl glaubwürdig bleiben.

  • O
    ole

    Wer a sagt,muß auch b,c,d,e,f,g,h,i,j,k,l,m,n,o,p... sagen.